Berlin - Politiker verschiedener Lager klagen, dass vor Sitzungen der Ministerpräsidentenkonferenz Angst vor Durchstechereien herrsche und deswegen gar vorab auf Absprachen verzichtet werde. Teilweise wird damit sogar die Fehlentscheidung zur geplanten Osterruhe begründet, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS).

"Sitzungen sind so durchlässig wie ein Schweizer Käse", sagte Hessens Staatskanzleichef Axel Wintermeyer (CDU) der FAS. "Alle Vorpapiere und Vorüberlegungen werden fast zeitgleich in bestimmten Medien veröffentlicht. Das trägt dazu bei, dass vorher keine konkreten Papiere auf den Tisch gelegt werden." Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte der FAS, die Osterruhe sei ein Beispiel für solche Fehlfunktionen. "Wäre das Thema vorher auf einen Zettel geschrieben worden, wäre es schon vorher durchgestochen und zerredet worden. So hat es auf keinem Zettel gestanden und wurde deshalb nicht ausreichend geprüft. Damit hatten wir zum ersten Mal die Situation, dass wir etwas Ungeprüftes beschlossen haben, das sich als juristisch nicht haltbar herausstellte."

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nannte als Grund für die Durchstecherei, dass sich die Politiker am Bildschirm beraten müssten. "Vor Corona saßen wir bei einer Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin in einem Raum" - ohne Mitarbeiter.

Da sei selten was nach außen gedrungen. "Heute tagen wir virtuell und wissen gar nicht ganz genau, wer dabei ist und mithört". Politiker berichten, dass die Indiskretionen vieles übersteigen, was sie im Politikbetrieb gewöhnt sind. "Eine Wochenzeitung hatte ein Wortprotokoll, wo ich von ausgehe, dass dort jemand sein Handy mitlaufen lässt", sagte Ramelow.

Als er einmal empört eine SMS vorlas, in der ein Journalist ihn zur Preisgabe von Informationen aufforderte, beschwerte sich der Journalist prompt bei ihm. Er hatte offenbar jedes Wort mitbekommen. Wintermeyer hat den Verdacht, dass Journalisten sogar Videobilder sehen. "Was mich wirklich maßlos ärgert, ist, dass an die Medien offenbar nicht nur der Ton überspielt wird, sondern auch die Optik."

Weil die Öffentlichkeit auch über Zwischenstände informiert wird, beklagen Politiker eine schädliche Dynamik. "Die Menschen verstehen nicht immer, wie eine Verhandlung abläuft. Sie ist sehr komplex, es geht um viele Detailfragen. Wenn die Menschen ständig mit Zwischenständen versorgt werden, haben sie das Gefühl, dass die Politik nicht weiß, was sie will", sagte Wintermeyer.

Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sieht das Problem. Der FAS sagte er, ihm gefalle nicht, "dass die Runde nicht mehr in der nötigen Vertraulichkeit tagen kann und Zwischenstände nach außen dringen".

Foto: Bundeskanzleramt bei Nacht (über dts Nachrichtenagentur)

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