Genf - Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, kritisiert die westliche Politik angesichts der humanitären Krise in Syrien. Insgesamt lebten heute fast 90 Prozent der syrischen Bevölkerung in Armut, sagte Maurer der Wochenzeitung "Die Zeit".

Aber "ohne Frieden will man im Westen keinen Wiederaufbau finanzieren". Man sei in dieser Logik gefangen. Vor zehn Jahren begannen die Massenproteste gegen das Assad-Regime. In dem folgenden Krieg wurden über 500.000 Menschen getötet und 13 Millionen vertrieben.

Die EU leistet humanitäre Hilfe, knüpft Hilfen für den Wiederaufbau des schwer zerstörten Landes jedoch an einen politischen Übergangsprozess und hält Sanktionen gegen das Regime aufrecht. Maurer plädiert für gewisse "Ausnahmen bei den Sanktionen" - auch in Anbetracht der Corona-Pandemie. "Die internationale Gemeinschaft kann jetzt zusehen, wie die syrische Bevölkerung jeden Tag kränker wird - oder sie versucht, die Krankenhäuser wieder in Gang zu bringen." Der Chef des IKRK kritisiert außerdem die Lage in dem von kurdischen Kräften kontrollierten Al-Hol-Camp scharf.

Dort werden seit zwei Jahren ohne Verfahren ehemalige IS-Kämpfer und ihre Familien festgehalten - insgesamt rund 60.000 Menschen, darunter zahlreiche Staatsangehörige europäischer Länder. Dies sei ein inakzeptabler Zustand. "Dort sitzen auch Zehntausende Kinder und Jugendliche", so Maurer, "die nach menschlichem Ermessen nichts gemacht haben können, was strafrechtlich relevant ist". Maurer warnt vor einer weiteren Radikalisierung vieler Insassen.

Westliche Regierungen müssten ihre Staatsangehörigen aus dem Al-Hol-Camp zurückholen.

Foto: Internationales Rotes Kreuz in Genf (über dts Nachrichtenagentur)

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