Kiew/Berlin - Unmittelbar vor dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Kiew hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von der deutschen Regierung mehr Eindeutigkeit in der Unterstützung seines Landes gefordert. In der ZDF-Sendung "heute journal" warf Selenskyj dem Bundeskanzler vor, noch immer zu viel Rücksicht auf Russland zu nehmen.
Der Krieg könne nur von Russland beendet werden. Dazu müsste die Situation der Ukraine so gestärkt werden, dass die Verluste für das russische Volk spürbar sind. Er könne derzeit nicht zu Kompromissen bereit sein. Selenskyj äußerte deutliche Kritik an Scholz.
Obwohl "die Beziehungen zwischen der deutschen und ukrainischen Regierung keineswegs schlecht" seien, sagte der Präsident: "Wir brauchen von Kanzler Scholz die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt. Er und seine Regierung müssen sich entscheiden: Es darf kein Spagat versucht werden zwischen der Ukraine und den Beziehungen zu Russland." Deutschland habe wesentlich später als andere Staaten begonnen, die Ukraine militärisch zu unterstützen, kritisierte Selenskyj: "Deutschland ist etwas später als einige unserer Nachbarländer dazugekommen, was die Waffenlieferungen angeht. Das ist eine Tatsache", so der Präsident.
Die USA, die Slowakei, Polen, Großbritannien "waren die ersten, die geliefert haben, Bulgarien und Rumänien haben auch geholfen", ebenso die baltischen Staaten. Deutschland und Frankreich hätten zwar politisch und rhetorisch die Ukraine unterstützt, "aber damals am Anfang des Krieges brauchten wir nicht die Politik, sondern die Hilfe". Inzwischen seien sie - "Gott sei Dank" - dazugekommen, um zu helfen. Über den Umfang der Waffenhilfe aus Deutschland wollte Selenskyj keine Aussage machen.
Der deutsche Bundeskanzler müsse eine Position einnehmen und nicht suchen, wo es am wenigsten weh tut in den Beziehungen zu Russland und der Ukraine. Dieser Ansatz sei falsch. Auf die Frage, ob er für einen Frieden Gebietsabtretungen der Ukraine für ihn denkbar seien, antwortete Selenskyj: "Wir sind auf dem eigenen Boden, das ist unser Volk, das ist unser Territorium und es tut sehr weh, Menschen zu verlieren, das ist so, aber wir werden alles verlieren, wenn wir Russland in diesem Krieg unterlegen sind", sagte der Präsident. Er versuche nicht, "irgendwie zu einem Abkommen zu gelangen, wir wissen genau, was wir tun. Ich betone, wir haben keine Zweifel, wir sind nur dann bereit, Gespräche zu führen, wenn die andere Seite bereit ist, dem Krieg ein Ende zu legen. Wir haben keine Zeit für Gespräche, die nichts bringen", sagte Selenskyj.
Foto: Ukrainische Flagge auf dem Parlament in Kiew (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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