Berlin - In der Ampel-Koalition wächst die Sorge, dass die von der Union regierten Bundesländer das geplante Rabattticket für den Nahverkehr im Bundesrat aufhalten könnten. Alles andere als eine schnelle Einführung zum 1. Juni aus "taktischen Spielchen" würde "großen Frust" produzieren, sagte SPD-Fraktionsvize Detlef Müller dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe).
"Die Unternehmen haben enorme Anstrengungen unternommen, dass das Ticket ein Erfolg wird, die Finanzierung ist gesichert, daher wäre ein Scheitern im Bundesrat an erster Stelle für die Länder peinlich." SPD, Grüne und FDP hatten sich im März darauf verständigt, neben einem Rabatt für Benzin, Diesel und Heizöl auch einen Nachlass für Bus und Bahn zu gewähren. Demnach soll nicht nur der Sprit von Juni an für drei Monate subventioniert werden, sondern auch der Nahverkehr über Neun-Euro-Monatstickets. "Beide Gesetze sollen am 1. Juni gleichzeitig in Kraft treten", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar, dem "Handelsblatt".
Das werde man im weiteren Verfahren absichern. Bayern hatte am Wochenende Widerstand angekündigt. Auch etliche Sachverständigen der am Montag stattfindenden öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestags mahnen Nachbesserungen an. "Wir brauchen mehr Bundesmittel, um den Nahverkehr auszubauen, zu verdichten und neue Konzepte zu erproben", sagte etwa Jens Hilgenberg vom Umweltverband Bund dem "Handelsblatt".
Viele Menschen würden das Neun-Euro-Ticket kaufen. Die Frage sei, ob sie auch danach den Nahverkehr nutzen wollen. "Es besteht die Gefahr, dass die Menschen frustriert aus übervollen Zügen kommen", sagte Hilgenberg. Auch die Kommunen machen unterdessen Front gegen das geplante Neun-Euro-Ticket.
"Das Vorhaben verschlingt enorme Bundesmittel von mindestens 2,5 Milliarden Euro", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Es besteht aber die Gefahr, dass der beabsichtige Effekt verpuffen könnte." In den ländlichen Räumen werde die Wirkung gering sein, da vielfach ein ausreichendes Angebot an Bussen und Bahnen fehle. Landsberg verwies auch auf den bürokratischen Aufwand, da mehr als 450 Verkehrsunternehmen und 60 Verkehrsverbünde kurzfristig einen enormen Umsetzungsaufwand betreiben müssten.
"Viel besser wäre es gewesen, die zusätzlichen Finanzmittel für mehr Busse und Bahnen, eine bessere Taktung und bessere Ausstattung auszugeben", sagte er. "Das hätte auch einen langfristigen Effekt gehabt. So steht zu befürchten, dass es vor allem bei einer Symbolwirkung bleiben wird."
Foto: Fahrkartenkontrolle (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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