Berlin - Die Coronakrise führt zu verwaisten Bankschaltern. Jeder dritte Bundesbürger (35 Prozent) war seit einem Jahr nicht mehr in einer Bankfiliale, jeder siebzehnte (sechs Prozent) noch nie, ergab eine Umfrage des Finanzportals Verivox unter 1.005 Bundesbürgern, über die die "Süddeutsche Zeitung" (Wochenendausgabe) berichtet. Gleichzeitig erledigen viel mehr Bürger ihre Finanzgeschäfte online.
Jeder Vierte (26 Prozent) nutzt Online-Banking heute häufiger als vor Ausbruch der Pandemie. Einer von vier Kunden (27 Prozent) loggt sich täglich ein, jeder Zweite (55 Prozent) mindestens einmal in der Woche. Während der ersten Kontaktbeschränkungen im März und April schlossen viele Geldhäuser einen Teil ihrer Filialen und verkürzten die Öffnungszeiten, gleichzeitig vermieden Kunden den persönlichen Kontakt. Nach einer Umfrage der "Süddeutschen Zeitung" bei Bankenverbänden wirkte sich dies jedoch nicht negativ auf das Geschäft aus, weil das Online-Banking einen Aufschwung erlebte. Bei den Sparkassen in Bayern ließen sich von Mai bis Juli 50.000 Kunden neu dafür freischalten, bei den Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern stieg der Anteil der Nutzer binnen eines Jahres von 54 auf 57 Prozent. Die Sparkassen im Verband Hessen-Thüringen erwarten, dass dieser Anteil bis 2025 von derzeit 55 auf 70 Prozent hochgehen wird. "Es gab keine Auswirkungen auf die Einnahmen, da unsere Institute weiter für die Kunden da waren", teilte der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) der SZ mit. Die Kreditvergabe an Unternehmen legte sogar deutlich zu, Bayerns Sparkassen etwa berichteten der SZ von einem Plus von 20 Prozent. Auch das Privatgeschäft lief gut: Die rheinländischen Sparkassen registrierten deutliche Zuwächse in den Depots und bei der Wertpapierberatung. Die Hypo-Vereinsbank beziffert das Wachstum bei Fondssparplänen von Januar bis September auf 25 Prozent. Die Coronakrise lieferte den Kreditinstituten die Erkenntnis, dass das Geschäft weiterläuft, auch wenn die Kunden nicht mehr so häufig in die Filiale kommen. Viele ziehen daraus den Schluss, dass ein Teil ihrer Geschäftsstellen entbehrlich ist und beschleunigen den Abbau. Fachleute gehen davon aus, dass in diesem Jahr bereits deutlich mehr als 1.000 Niederlassungen wegfielen. Allein die Commerzbank kündigte an, 200 Filialen nicht mehr wieder zu öffnen, die im Frühjahr wegen der Pandemie geschlossen worden waren. Die Deutsche Bank will die Zahl ihrer Dependancen bis 2021 von 500 auf 400 verringern, bei der Postbank fallen 50 Filialen weg. Hinzu kommen unzählige geschlossene Zweigstellen bei Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken. Im Jahr 2019 verringerte sich die Zahl der Bankfilialen laut Bundesbank um 1.220 auf 26.667. Die Beratungsgesellschaft Investors Marketing geht davon aus, dass wegen der Coronakrise bis 2025 zusätzlich 3.500 Niederlassungen wegfallen werden. Insgesamt werde die Zahl der Zweigstellen damit um 10.700 auf dann noch rund 16.000 zurückgehen. Das Beratungsunternehmen Oliver Wyman prognostiziert, dass bis 2030 jede zweite Bankfiliale in Deutschland verschwunden sein wird.
Foto: Banken-Hochhäuser (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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