Die "Wagner"-Truppen rücken in der erbitterten Schlacht um Bachmut weiter vor. Die Hauptstoßrichtung bleibt der Zangengriff vom Norden, um die Stadt einzukesseln. Zugleich wurde in den letzten Tagen auch ein signifikantes Vorrücken im Stadtgebiet gemeldet.

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"Wagner"-Chef Prigoschin meldete am Dienstag, dass seine Trupps den gesamten Ostteil der Stadt bis zum Fluss Bachmutka eingenommen haben. Russische Kriegsreporter sahen dennoch nur geringe Anzeichen dafür, dass die Ukrainer sich aus der Stadt zurückziehen würden. Die Kämpfe werden erbittert um jedes Haus geführt. Nach einigen Schätzungen würden sich bis zu 12.000 ukrainische Soldaten weiterhin in der Stadt aufhalten.

Rückzug - ja oder nein?

In den Spekulationen um einen möglichen ukrainischen "strategischen Rückzug" aus Bachmut setzte Kiew unterdessen einen vorläufigen Schlusspunkt. In einer Generalstabssitzung mit Selenski und Truppenchef Zalyzhnyj wurde offiziell ein Fortsetzen der Verteidigung der Stadt beschlossen. Diese Entscheidung ist unter westlichen Militärs und Medien schon länger umstritten. Pentagon-Chef Lloyd Austin erklärte, dass Bachmut eher eine symbolische Bedeutung habe als eine strategische.
Ihr Fall würde nach seiner Ansicht nicht zu einer grundlegenden Wende führen. Westliche Kriegsreporter betonten ebenfalls, dass die Entscheidung, Bachmut um jeden Preis zu halten, "zunehmend zweifelhaft" sei. Schon nach dem Fall von Soledar hätten US-Beamte Kiew aufgefordert, "sich auf besser verteidigbare Positionen zurückzuziehen".

Kiew sah sich gezwungen klarzustellen, warum man dennoch unbedingt an der Stadt halten will. In einem Interview gegenüber CNN erklärte Selenski, dass der Fall von Bachmut "den Weg zu Schlüsselstädten im Osten der Ukraine" für russische Truppen öffnen würde. Des weiteren hieß es von ukrainischen Offiziellen, dass die Verteidigung von Bachmut möglichst viel Zeit für die ukrainische Armee herausholen soll, um im Hinterland neue Stoßtruppen vorzubereiten.
Diese sollen im Frühling die ukrainische Gegenoffensive an der Zaporizhya-Front antreiben.

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Diese Argumentation wird durchaus angezweifelt. Verschiedene US-Medien warnten, dass das sture Halten von Bachmut die geplante Gegenoffensive eher gefährdet. Der Kampf gegen die "Wagner" um Bachmut erschöpfe die ukrainische Armee und gefährde die Frühlingsoffensive, schrieb etwa das WSJ.

Russia’s Wagner Troops Exhaust Ukrainian Forces in Bakhmut
Deadly fight against the penal battalions threatens Kyiv’s ability to mount spring offensive

Das Vorrücken der "Wagner" gehe auf Kosten brutaler Opferzahlen, allerdings hätten auch ukrainische Truppen in Bachmut "große Verluste erlitten und einige der Verbände verloren, die für die Frühjahrsoffensive mit den vom Westen gelieferten Waffen benötigt wurden".

Genau genommen, sind diese Ausführungen nicht neu. Schon seit Dezember wird vom "Fleischwolf von Bachmut" gesprochen, durch den die Truppen beider Seiten mit schweren Verlusten gedreht werden.
Auch der strategische Wert wurde schon damals angezweifelt.


Dennoch gewannen diese Ausführungen mit der sich abzeichnenden Einkesselung der Stadt eine neue Aktualität. Die Versorgung der Garnison ist extrem erschwert.
Die wichtigsten Verbindungsstraßen sind durchtrennt. Im Prinzip stehen nur noch Feldwege zur Verfügung. Diese stehen allerdings unter Beschuss und sind durch Frühlingstemperaturen zu einem regelrechten Schlammsumpf geworden.
Zahlreiche Videos tauchen derzeit im ukrainischem Internetsegment auf, wie Militärfahrzeuge sich nur mit Mühe durch den aufgetauten Dreck durchquälen.

Die Verletztenevakuierung ist extrem erschwert. Ebenfalls die Truppenrotation sowie die Nachschublinien. Nicht selten verlassen ukrainische Truppen zu Fuß in kleinen Gruppen die Stadt. Wie lang die Garnison unter solchen Bedingungen durchhält, ist ungewiss. Allerdings dämpfte ausgerechnet der "Wagner"-Chef wieder mal den Optimismus in der russischen Kriegsdebatte. Prigoschin erklärte, dass ukrainische Truppen eine Gegenoffensive bei Bachmut vorbereiten würden. Demnach würde der ukrainische Generalstab derzeit mehrere Stoßtrupps bei Bachmut und Siversk aufstellen, um den Zangengriff der "Wagner" durch einen Flankenangriff zu zerschlagen, und womöglich umgekehrt die weit vorgerückten Söldner von der eigentlichen Frontlinie abzuschneiden.

Die Aussagen von Prigoschin sind auch im Kontext des Machtkampfes zwischen "Putins Koch" und dem Verteidigungsministerium inkl. Minister Shojgu zu sehen. Schon seit Wochen fordert der "Wagner"-Chef vom Verteidigungsministerium größere Munitionslieferungen und spricht von Sabotage. Die Söldnertruppe wirft dem Ministerium vor, sie gezielt und willentlich von Munitionslieferungen abzuschneiden.

In der russischen Kriegsdebatte schlugen die Vorwürfe hohe Wellen. Von "Intrigen" im Ministerium ist die Rede. Trotz des enormen öffentlichen Drucks scheint sich dennoch wenig zu ändern. Prigoschins Vertreter beim Generalstab wurde sogar der Zugang ins Ministerium blockiert. Erst vor wenigen Tagen erklärte Prigoschin wieder, dass das Ministerium die Versorgung seines Trupps torpediert. Man bekomme nur ein Drittel der angefragten Munition.
Gehe es so weiter, so werde man schon in Kürze "keine Operationen mehr ausführen können", so Prigoschin.

US-Waffenlieferungen über Deutschland

Während im Donbass die Gefechte und in Moskau die Machtkämpfe toben, verlegten die USA anscheinend eine weitere Ladung von 90 Stryker-Panzerfahrzeugen nach Deutschland; für den anschließenden Weitertransport in die Ukraine. Erst Mitte Februar brachte US-Transportschiff Arc Integrity Hunderte Einheiten Militärtechnik nach Bremerhaven, wo das Militärgerät zügig ausgeladen und schon nach wenigen Tagen für den Weitertransport vorbereitet wurde. Nach entsprechender Wartung und Vorbereitung auf US-Basen in Deutschland wird die Technik per Zug oder Tieflader an die ukrainisch-polnische Grenze gebracht. Interessanterweise wird die Technik von dort anscheinend teilweise in zivile LKWs geladen und weiter verdeckt transportiert. Ukrainische Quellen veröffentlichten zuletzt gleich eine Reihe von Videos, auf denen zu sehen ist, wie Panzerfahrzeuge in gewöhnlichen zivilen LKWs "versteckt" und befördert werden.
Offensichtlich, um die Techniktransporte vor potentiellen russischen Luftangriffen zu schützen.

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