Das Pentagon treibt eine brisante Untersuchung voran. Es heißt, US-Soldaten in Syrien seien von russischen Truppen mit „Energiewaffen“ angegriffen worden. Russische Experten wiegeln ab und sprechen von US-Paranoia. Ein Überblick über die Spekulationen.
Laut dem Nachrichtenportal POLITICO untersucht das Pentagon seit einiger Zeit mutmaßliche russische Angriffe auf US-Truppen in Syrien…und zwar Angriffe mit sogenannter „gerichteter Energie“. Ende April hätten Pentagon-Vertreter die dafür vorgesehenen Kongressausschüsse offiziell über den Einsatz „mysteriöser Waffen“ gegen amerikanische Soldaten informiert. Die Untersuchung gewinnt weiter an Fahrt und sickert auch immer mehr in die Massenmedien durch.
Worum es geht
Im Herbst 2020 sollen mehrere US-Soldaten in Syrien unvermittelt scharfe „grippeähnliche Symptome“ bekommen haben. US-Beamte sprachen von „Verletzungen“. Schnell wurde die Vermutung aufgestellt, dass diese Verletzungen die Folge eines „Energieangriffes“ gewesen seien, bei dem die Soldaten mit „gerichteter Energie“ attackiert wurden und dadurch Übelkeitserscheinungen bekommen hätten.
Die ersten ähnlichen Vorfälle wurden sogar noch früher registriert. Seit Ende 2016 sollen fast 50 US-Militärangehörige quer durch Nahost plötzliche Symptome „mysteriöser“ Übelkeit gemeldet haben. Zu den Symptomen gehörte plötzlicher Tinnitus und Druck in den Ohren, Hör- und Gleichgewichtsverlust, Müdigkeit und andauernde Kopfschmerzen. Einige der Betroffenen sollen „langfristige Hirnschäden erlitten“ haben. Was genau es für langfristige Schäden sein sollen, bleibt allerdings unklar.
Ausgehend von all diesen Vorfällen startete das Pentagon vor einigen Jahren eine Untersuchung und gründete eine Task Force, um hinter die „mysteriösen Verletzungen“ der Soldaten dahinterzukommen. Die Task Force hätte all die Vorfälle zusammengetragen, die Opfer und die Umstände untersucht und nach möglichen Tätern recherchiert, falls es denn Täter gibt.
Nun hat es also die ersten Geheimdienst-Briefings für den US-Kongress gegeben. Insgesamt bleibt die Beweislage laut POLITICO äußerst unklar und undurchsichtig. Die mutmaßlichen Angriffe können weder einer bestimmten Waffe noch einem bestimmten Land klar zugeordnet werden, aufgrund der dafür notwendigen fortschrittlichen Technologien bezeichnen einige US-Vertreter jedoch Russland als den „wahrscheinlich Schuldigen“.
Diese mutmaßlichen „Directed-Energy-Angriffe“ auf US-Personal würden bereits seit Längerem vorkommen, nicht nur in Syrien, sondern praktisch quer durch Nahost und auch auf Kuba, weshalb die Erscheinung den Beinamen „das Havanna-Syndrom“ bekommen hatte.
Exkurs: Bei einem Angriff mit gerichteter Energie wird hochkonzentrierte elektromagnetische Energie ausgestrahlt, einschließlich Hochleistungs-Hochfrequenz- oder Mikrowellen- und Partikelstrahlen, um ein Ziel zu schädigen. Die Angriffe können verschiedene Folgen haben, von der Störung elektronischer Geräte bis hin zu Schmerzen oder bleibenden Verletzungen bei Menschen…so zumindest die Theorie.
In einem vom US-Außenministerium in Auftrag gegebenen und im Dezember veröffentlichten Bericht wurde auf solche „gerichtete, gepulste Hochfrequenzenergie“ als die wahrscheinlichste Ursache für die Vorfälle auf Kuba hingewiesen. Angesichts der Häufung solcher Vorfälle forderten einige Pentagon-Vertreter bereits besseren Schutz für das US-Personal im Ausland und sprachen von einer wachsenden Bedrohung.
Marc Polymeropoulos, ein ehemaliger CIA-Agent, der bereits im Jahr 2017 in Moskau von solchen Symptomen heimgesucht wurde, hält die Angriffe und die dahinter stehenden „Energie-Waffen“ für real und hält die „möglichen Zweifel innerhalb der US-Regierung“ für unangebracht.
„Ich wünschte, ich wäre angeschossen worden. Ich wünschte, es wäre eine offene Wunde gewesen, denn dann haben Sie etwas, das sichtbar und behandelbar ist, und stattdessen ist dies eine unsichtbare Wunde “, wird er in diesem Zusammenhang von POLITICO zitiert.
„Es bringt dich vom Schlachtfeld, es macht dich handlungsunfähig, es bringt dich aber nicht um ... letztendlich ist es eine ziemlich brillante Terrorwaffe“, so der Ex-CIA-Offizier.
Zugleich würden laut POLITICO viele US-Beamte die Vorfälle derzeit lieber nicht kommentieren – zu brisant und zu ungewöhnlich, fast schon Hollywood-reif, sind die Anschuldigungen. Gerade jetzt, wo die russisch-amerikanischen Beziehungen eh im tiefsten Keller sind, könnten sich solche Meldungen als eine absolute Blamage herausstellen, falls sie sich als unwahr herausstellen.
Zweifel an den Spekulationen
In der Tat, Zweifel am „Energie-Waffen-Szenario“ werden selbst in den USA immer lauter.
So haben einige US-Militärvertreter erklärt, dass sie „keine Beweise“ für solche „energetischen Angriffe“ gegen US-Truppen im Nahen Osten hätten. Zudem sei eine eindeutige Festlegung eh schwierig, weil „die Symptome von Verletzungen im Zusammenhang mit gerichteter Energie auch verschiedene andere Ursachen haben können.“
In anderen Worten: die aufgetauchten Übelkeitssymptome können sonst woher stammen.
So erklärte ein ehemaliger nationaler Sicherheitsbeamter gegenüber POLITICO, dass in einem Fall, als ein US-Marine angeblich durch „gerichtete Energie“ verletzt wurde, die Untersuchung später ergab, dass die Symptome auf eine gewöhnliche Lebensmittelvergiftung zurückzuführen waren.
POLITICO zitiert in diesem Zusammenhang US-Militärs mit den Worten: „Wir wissen nur, dass diese Soldaten krank wurden und wir wissen nicht, ob es eine Lebensmittelvergiftung oder etwas anderes ist, das sie krank gemacht hat. Also können wir den Russen keine Vorwürfe machen. Das war natürlich auch Teil des Problems auf Kuba. “
Auch dort seien die massenhaften Übelkeitsgefühle unter US-Personal zwar verdächtig, aber es lasse sich kaum eindeutig auf einen „Angriff“ zurückführen. Es könne Lebensmittelvergiftung, Klimaunverträglichkeit oder sonst auch alles Mögliche sein.
Reaktionen aus Russland
Aus Russland kam als Reaktion auf diese Vorwürfe zunächst nur Spott. Der offizielle Kreml kommentiert die Berichte erst gar nicht. Russische Militärexperten äußerten sich dazu, sprachen aber einheitlich von einer Paranoia, die sich offensichtlich sowohl unter US-Militärs in Nahost als auch unter Politikern in Washington breit mache.
Der russische Militärexperte Sergej Denissenzev erklärte, die Berichte seien „Quatsch, der den Gesetzen der Physik widerspricht“. Mit gleicher Seriosität könne man auch über den Einfluss von UFOs auf US-Soldaten diskutieren.
All diese Meldungen aus dem Pentagon über angebliche russische „akustische“ und „energetische“ Angriffe hätten genau zwei Ziele:
„Erstens, solche Gerüchte braucht man, um das Bild Russlands als Feind weiter in den Massenmedien aufrechtzuerhalten. Zweitens, man braucht sie, damit sich der US-Steuerzahler nicht allzu in Ruhe wähnt und stattdessen das Staats- und Pentagon-Budget weiter fleißig auffüllt“.
Genau deshalb seien all diese Geschichten auch immer sehr kurzzeitiger Natur. Sie würden kurz auftauchen, für Furore sorgen und dann wieder für ein Jahr verschwinden. Es sei nicht im Interesse der Verantwortlichen, ein einheitliches vollständiges Bild von Anfang bis Ende zu liefern.
„Stattdessen werden ab und zu neue Gerüchte hineingeworfen, um einen entsprechenden medialen Hintergrund aufrechtzuerhalten“, so der Experte.
Dir gefällt, was Nikita Gerassimow schreibt?
Dann unterstütze Nikita Gerassimow jetzt direkt: