Berlin - Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), hält den im reformierten Infektionsschutzgesetz festgelegten Sieben-Tage-Inzidenzwert von 50 Corona-Infizierten pro 100.000 Einwohner für wenig aussagekräftig. "Er ist nicht nach Alter differenziert; die Inanspruchnahme der Intensivstationen und die Sterblichkeit sind aber stark altersabhängig", sagte von Stillfried dem "Mannheimer Morgen" (Samstagausgabe).

50 Fälle pro 100.000 Einwohner in der Altersklasse der 15- bis 34-Jährigen hätten deshalb eine ganz andere Aussagekraft als 50 Fälle in der Altersgruppe der über 60-Jährigen, die in der aktuellen Pandemie besonders stark betroffen seien. Insofern könne der Wert auch keinen Bezug herstellen zu den kritischen Kapazitäten in der medizinischen Versorgung. Aktuell sei ein deutlicher Anstieg der Infektionen bei über 60-Jährigen sowie in Alters- und Pflegeheimen zu beobachten. "Leere Kinos sind offenbar kein Schutz für Risikogruppen", sagte von Stillfried.

"Wenn wir verhindern wollen, dass Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenze kommen und womöglich entscheiden müssen, welchen Patienten sie noch behandeln und welchen nicht, muss das Frühwarnsystem abbilden, wie hoch der Anteil der Risikogruppen unter den Infizierten ist." Zudem wies er darauf hin, dass der Inzidenzwert von 50, der sich an den Kapazitäten der Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung orientiere, aus der ersten Welle stamme. "Seitdem wurden die Gesundheitsämter personell aufgestockt, auch die Bundeswehr hilft inzwischen aus. Wenn der Wert von 50 im Frühjahr die Belastungsgrenze der Gesundheitsämter markiert hat, hätte er eigentlich entsprechend erhöht werden können - auf 75 oder 100."

Das Zentralinstitut ist eine Forschungseinrichtung der Kassenärzte.

Foto: Werbung für AHA-Regeln (über dts Nachrichtenagentur)

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