Berlin - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will angesichts niedriger Bewerberzahlen auf dem Ausbildungsmarkt die Ausbildung weiter stärken. "Der Ausbildungsmarkt befindet sich zwar weiter im Aufholprozess, aber er erholt sich langsamer als der Arbeitsmarkt insgesamt", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben).

"Wir kämpfen weiter um jeden Ausbildungsplatz." Von dem Bundesprogramm "Ausbildungsplätze sichern", das unter anderem Ausbildungsprämien von bis zu 6.000 Euro pro Auszubildenden für Unternehmen vorsieht, seien bereits 150 Millionen Euro abgerufen worden, sagte Heil. "Das ist gut investiertes Geld in die Zukunft unseres Landes", sagte der Bundesarbeitsminister. Der Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, warnt dagegen bereits vor einer Verschärfung der Krise auf dem Ausbildungsmarkt. "Rechnerisch steht für jeden Bewerber ein Ausbildungsplatz zur Verfügung. Aber viele Auszubildende und Arbeitgeber finden nicht zusammen. Dieser Trend verschärft sich derzeit", sagte Scheele den Funke-Zeitungen. Mit 404.000 Bewerbern seien 7,9 Prozent weniger Bewerbungen als noch im Vorjahr eingegangen. Die Zahl an Ausbildungsstellen sei mit 2,9 Prozent dagegen weniger stark zurückgegangen. 31 Prozent der gemeldeten Bewerber "sind bislang unversorgt, 40 Prozent der Ausbildungsplätze sind noch frei", sagte Scheele. Vor allem Ausbildungsbetriebe in der Lagerwirtschaft, Logistik und beim Lebensmittelverkauf hätten bei der Suche nach Auszubildenden derzeit Probleme, sagte er. "Aber auch Friseure, Hoteliers und Gastronomen finden nur schwer Auszubildende. Hier werden sich die Arbeitgeber Gedanken machen müssen, wie sie im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen können", so der BA-Chef.

Die erfolglose Suche nach Auszubildenden alarmiert auch immer mehr Wirtschaftsverbände. "Es gibt noch zahlreiche Ausbildungsangebote in nahezu allen Branchen und Regionen, aber leider einen erheblichen Rückgang an Ausbildungsbewerberinnen und -bewerbern", sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) den Funke-Zeitungen. Dercks führte den Umstand auf die "enorme Verunsicherung junger Menschen durch die Pandemie" zurück.

Es fehle aber auch an Berufsorientierung während des letzten Schuljahres. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, wies daraufhin, dass selbst in der Metall- und Elektroindustrie noch mehr als 6.000 Ausbildungsplätze unbesetzt seien. "Einen so hohen Wert hatten wir seit Jahren nicht mehr", sagte Wolf den Funke-Zeitungen. Die hohe Ausbildungsquote in den vergangenen Jahren habe aber geholfen, den Fachkräftemangel etwas zu mildern.

Hinzu kam nun die Corona-Pandemie: "Der Fachkräftemangel ist nach wie vor da, aber nicht mehr so dramatisch wie bisher. Wir mussten Arbeitsplätze abbauen, daher gibt es weniger Bedarf", sagte Wolf. Der Gesamtmetall-Präsident sprach sich dafür aus, dass Lohnniveau in der Metall- und Elektroindustrie anzuhalten. "Die jungen Leute wollen in die Metall- und Elektroindustrie, weil sie hier später deutlich mehr verdienen. Das sorgt für ein ungesundes Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt", sagte Wolf.

Andere Branchen müssten die Chance erhalten, hinterherzukommen. Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), warnte davor, dass die Krise auf dem Ausbildungsmarkt Wachstum kosten wird. "Dieser in seiner Höhe historische Einbruch bedroht den wirtschaftlichen Aufholprozess", sagte Jerger den Funke-Zeitungen. Er forderte ein gesellschaftliches Umdenken: "Berufliche und akademische Bildung müssen als gleichwertig anerkannt werden." Zuversichtlicher blickt Hans-Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), auf die Situation. Im Juni habe die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 13 Prozent über dem Vorjahreswert gelegen. Im Juli sei das Tempo mit 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr aber gebremst gewesen.

"Wir müssen also beim Aufhol-Rennen auf dem Ausbildungsmarkt unbedingt wieder einen Zahn zulegen und noch einmal alles geben, um Jugendliche für die zukunfts- und häufig klimarelevanten Berufe im Handwerk zu begeistern", sagte Wollseifer den Funke-Zeitungen. Insgesamt seien noch rund 30.000 Ausbildungsplätze in den Handwerksberufen unbesetzt. Optimistisch ist auch die Bauwirtschaft. Zum Stichtag 30. Juni habe es 4,8 Prozent mehr besetzte Lehrstellen und 3,5 Prozent mehr Ausbildungsbetriebe gegeben, teilte Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), den Funke-Zeitungen mit. "Neben der anhaltenden Baukonjunktur ist dafür vor allem auch das besondere Ausbildungssystem am Bau verantwortlich", sagte Feiger und verwies auf die betriebliche Ausbildungsumlage sowie die Bezahlung von monatlich knapp 1.500 Euro im dritten Ausbildungsjahr in den westdeutschen Bundesländern. Wer sich bereits für eine Ausbildung entschieden hat, ist oft mit der technischen Ausstattung an den Berufsschulen unzufrieden. Das geht aus dem diesjährigen Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor, der am kommenden Mittwoch vorgestellt wird und der in Teilen vorab den Funke-Zeitungen vorliegt. Demnach bemängelten 52,7 Prozent der 1.035 vom ISM Mainz befragten Auszubildenden die digitale Ausstattung. Nur rund jeder fünfte Befragte findet die digitale Ausrüstung der Berufsschulen gut oder sehr gut.

Foto: Fliesenleger (über dts Nachrichtenagentur)

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