Berlin - Ärztevertreter fordern die Bevölkerung auf, sich beim Bemühen um Impftermine in den Praxen zurückzuhalten. Als Folge der Impfaktionen gebe es in manchen Praxen bereits Engpässe bei der Versorgung von Patienten, die nicht im Zusammenhang mit Corona stünden, sagte Markus Beier, Vorsitzender des bayerischen Hausärzteverbandes, der "Welt" (Donnersagausgabe).

"Ich habe Verständnis dafür, dass viele nun schnell geimpft werden wollen, gerade im Vorfeld der Urlaubszeit. Aber ich appelliere an die Menschen, jetzt die Füße stillzuhalten und nicht die Praxen abzutelefonieren und mit Impfanfragen zu überhäufen", sagte er. Es gebe nicht genug Termine und nicht genug Impfstoff, das werde sich voraussichtlich erst Mitte Juni ändern. "Eine Welle von Anfragen erzeugt daher jetzt vor allem Verdruss - auf beiden Seiten", so Beier.

"Und die Kapazitäten werden blockiert, die wir in den Praxen brauchen, um Patienten zu versorgen, die mit anderen Anliegen als Corona zu uns kommen. Da sehen wir erste Engpässe." Auch Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Bremen, sagte: "Wir werden überrannt, jeder will auf eine Impfliste, dafür habe ich auch Verständnis. Aber wir sind an dem Punkt, wo wir riskieren, die Regelversorgung bald nicht mehr garantieren zu können."

Schon jetzt blieben Dinge liegen, die zur grundsätzlichen Versorgung gehörten, wie Blutzucker- oder Blutdruckmessen. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, warnte, die Mangelverwaltung der Impfstoffe bei gleichzeitiger ärztlicher Grundversorgung bringe den Praxisbetrieb an seine Grenzen. "Es darf nicht sein, dass Patienten mit Krebs, neurologischen Erkrankungen oder Herzinsuffizienz nicht nur seit Monaten auf eine Impfung warten, sondern auch bei ihrer Therapie Abstriche hinnehmen müssen." Das Dilemma bremst in der Ärzteschaft zunehmend die Bereitschaft, weiter gegen Corona zu impfen.

"Das Impfen läuft parallel zum Normalbetrieb, und bei vielen Kollegen übersteigt das inzwischen das Machbare", sagte Armin Beck, der Vorsitzende des Hausärzteverbandes in Hessen. "Nicht wenige überlegen, das Impfen einzustellen." Über einen längeren Zeitraum werde es nicht möglich sein, zu impfen und die Regelvorsorge im üblichen Umfang anzubieten, prognostizierte Beck. "Dann müssen wir Abstriche an dem machen, was wir als Ärzte neben dem Impfen an Leistungen anbieten können." Mit Aufheben der Impfpriorisierung am 7. Juni dürfen nun auch die Betriebsärzte beginnen, die Belegschaften zu impfen - davon wird Entlastung für die Hausarzt-Praxen erwartet.

"Wir haben rund 10.000 aktive Betriebsärzte und zusätzlich Ruheständler aktiviert. So aufgestellt, können wir rund fünf Millionen Impfdosen pro Wochen verimpfen", kündigte Wolfgang Panter, Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, der "Welt" an.

Foto: Impfung (über dts Nachrichtenagentur)

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