Berlin - Das Auswärtige Amt ist alarmiert über die Einrichtung sogenannter Filtrationslager der russischen Armee in der Ukraine. Die ukrainische Regierung wirft Russland vor, in diesen Zentren Flüchtlinge aus belagerten Städten wie Mariupol zu verhören und anschließend auf russisches Staatsgebiet zu deportieren, berichtet die "Welt".
Dem Auswärtigen Amt liegen übereinstimmende Berichte über die Lager vor, die "Schlimmstes vermuten" ließen. "Sie beschreiben Praktiken bei den Verhören, die Zwang und auch Folter einschließen", heißt es aus dem Ministerium. Bislang seien die Berichte aufgrund der Sicherheitslage vor Ort von Hilfsorganisationen wie dem UNHCR oder OHCHR noch nicht überprüft worden. Die Evakuierungen, die Russland seit Kriegsbeginn durchführe, seien keine humanitären Korridore, die mit der Ukraine vereinbart seien.
Auch hier sei vielfach und übereinstimmend über die Ausübung von Zwang berichtet worden, bis hin zur Drohung mit Erschießungen. Wenn Menschen aus der Ukraine gegen ihren Willen nach Russland verbracht werden, wäre das ein Bruch des Völkerrechts, heißt es aus dem Ressort von Annalena Baerbock (Grüne). Die Vierte Genfer Konvention verbiete die zwangsweise Umsiedlung und Deportation von Zivilisten aus besetzten Gebieten in einen anderen Staat. Die zwangsweise Überführung der Bevölkerung durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen könne zudem auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts darstellen.
Bis zu einer Million Menschen seien bereits gegen ihren Willen nach Russland gelangt, teilte die ukrainische Menschenrechtskommissarin Lyudmila Denisova diese Woche mit. Auch der Bürgermeister von Mariupol Wadim Boitschenko bestätigt die Entführung von Menschen auf dem Gebiet der Russischen Föderation und der sogenannten Volksrepubliken. Boitschenko sagte der "Welt am Sonntag": "Wir haben Zeugenaussagen von Menschen, die durch dieses erniedrigende Ghetto gegangen sind, die bis zu einem Monat auf ihre Filtration warten mussten." Zudem schildert Boitschenko Folter in den Lagern.
Ende April erst habe er mit einem Überlebenden aus dem Filtrationszentrum in Manhusch gesprochen. "Es gibt einen Verhörraum. Sie haben ihn auf einen Stuhl gesetzt und auf sein Knie geschossen. Sie wollten irgendwelche Informationen von ihm bekommen", sagte Boitschenko.
Das Opfer habe ihm die Schusswunde gezeigt. "Es ist einfach nur Folter."
Foto: Auswärtiges Amt (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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