Berlin - Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Russland und die Ukraine zu neuen Gesprächen über die humanitäre Situation in der Ostukraine aufgerufen. Mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow sei sie "übereingekommen, Vorbereitungen zu treffen, um über jeden einzelnen Satz der Minsker Abkommen zu reden", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagausgabe).
Sie erwarte mühsame Gespräche. "Wir werden um jeden Millimeter mehr Sicherheit ringen müssen." Besonders dringlich sei es, dass auch wieder darüber gesprochen werde, wie "wir die humanitäre Situation in den Separatistengebieten verbessern und die Versorgung der notleidenden Menschen sicherstellen können". Mit Blick auf die ablehnende Haltung der Bundesregierung zur Lieferung letaler Waffen an die Ukraine sagte sie, jeder Staat habe das Recht auf Selbstverteidigung, auch die Ukraine.
"Und wenn andere Staaten bereit sind, Waffen zur Verteidigung zu liefern, ist es nicht an uns, das zu kritisieren." Sie halte es aber nicht für realistisch, mit solchen Lieferungen das militärische Ungleichgewicht umzukehren. Der beste Schutz sei, dass es zu keiner weiteren Aggression komme. Dafür setzt Baerbock auf die Androhung von schwerwiegenden Sanktionen.
"Die stärkste Waffe, wenn man dieses Wort benutzen will, ist, dass wir geschlossen als NATO-Mitglieder, als EU-Staaten, als G7 deutlich machen, dass jede neue Aggression massive Konsequenzen hätte." Unter den Partnern Deutschlands sehe sie keinen Dissens in dieser Frage, sagte sie mit Blick auf Äußerungen von US-Präsident Joe Biden, der von Differenzen unter den Alliierten gesprochen hatte. "Wir sind uns völlig einig, dass jede neue Verletzung der ukrainischen Grenzen schwere Konsequenzen hätte. Deswegen haben wir eine lange Liste von Handlungsoptionen identifiziert, gerade weil wir auf unterschiedliche Szenarien eingestellt sein müssen, von Sabotageakten bis zur Ausschaltung von kritischer Infrastruktur." 2014 habe die Taktik niedrigschwelliger Eskalation und hybrider Angriffe den Westen noch kalt erwischt.
"Heute sind wir darauf vorbereitet." Angesprochen auf die Versuche Chinas, Litauen wegen der Eröffnung eines Verbindungsbüros von Taiwan unter Druck zu setzen, sagte Baerbock, sie "habe auch im Gespräch mit dem chinesischen Außenminister klargemacht, dass im Verhältnis zwischen Europa und China Erpressung kein Mittel sein kann". Gegenüber dem von der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel angestrebten Investitionsabkommen zwischen der EU und China zeigte sie sich skeptisch: Solange China Abgeordnete des Europäischen Parlaments sanktioniere, "ist das Abkommen eine Farce". Sie habe darüber hinaus aber auch inhaltliche Bedenken dagegen - zum einen weil es das Prinzip der Gegenseitigkeit nicht erfülle, also keine Chancengleichheit für europäische und chinesische Unternehmen herstelle.
"Zum anderen, weil die Einhaltung der Normen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO nicht nur versprochen, sondern auch gewährleistet werden muss, gerade mit Blick auf das Verbot von Zwangsarbeit."
Foto: Annalena Baerbock (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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