Berlin - Angesichts der Corona-bedingten Schulschließungen fordern Bildungsexperten weitere Maßnahmen gefordert, damit Schulabgänger ausreichend vorbereitet in die Prüfungen gehen und ein anerkanntes Abitur ablegen können. "Es ist zu erwarten, dass weder der komplett vorgesehene Lehrstoff noch die zu vermittelnden Kompetenzen vollumfänglich vermittelt werden können", sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, der "Welt" (Mittwochausgabe).
Das Schuljahr 2020/21 werde in absehbarer Zeit zu keinem Zeitpunkt unter Normalbedingungen stattfinden. Auch in diesem Schuljahr müsse gelten, dass aus der besonderen Situation für Schüler keine Nachteile entstehen dürfen. Schon aufgrund der Ausfälle im Frühjahr werde es kaum möglich sein, an den Schulen dieselbe Menge an Stoff zu vermitteln, wie in den Jahren zuvor, warnte der Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann. "Viele Schüler werden daher die Schulen mit einem geringeren Kompetenzniveau verlassen, als frühere Jahrgänge", sagte Wößmann.
"Die Schulverwaltungen hatten zehn Monate Zeit, sich auf erneut steigende Corona-Zahlen und die damit verbundenen Herausforderungen einzustellen und Vorbereitungen für Online-Unterricht zu treffen." Einige Schulen hätten das gemacht. "Aber ich fürchte, viele sind nicht dafür gerüstet." Die Bundesschülerkonferenz forderte angesichts der Situation bereits einen Nachteilsausgleich.
"Wir stellen immer mehr fest, dass durch Unterrichtsausfall, aber auch durch Quarantänemaßnahmen der Unterrichtsstoff auf der Strecke bleibt", sagte Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, der Zeitung. "Wir brauchen definitiv einen Nachteilsausgleich", forderte Schramm. Dieser könne in der Anpassung von Zeiten, aber auch in der Kürzung von Inhalten liegen. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, sagte, dass die jetzigen Abschlussjahrgänge doppelt betroffen seien.
"Sie haben noch Stoff nachzuholen vom letzten Lockdown, und weitere Lücken entstehen gerade." In einigen Bundesländern gebe es auch schon Hinweise an die Schulen, welcher Lernstoff verzichtbar ist. "Natürlich wird man Prüfungsstoff nicht abfragen können, der nicht vermittelt wurde", sagte Meidinger der "Welt". Einige Bundesländer haben bereits Maßnahmen angekündigt, um die Unterrichtsausfälle zu kompensieren.
"Wir haben die Prüfungen vorausschauend und frühzeitig nach hinten verschoben, damit die Schülerinnen und Schüler mehr Zeit zur Vorbereitung haben", sagte Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Außerdem werde man den Lehrkräften mehr Aufgaben zur Vorauswahl geben. "So können sie sicherstellen, dass die Themen abgeprüft werden, die ausführlich im Präsenzunterricht behandelt werden konnten." Ihr Amtskollege in Bayern, Michael Piazolo (Freie Wähler), sagte, es sei ihm sehr wichtig, dass sich die Schüler in den Abschlussklassen gezielt auf ihre Abschlüsse vorbereiten können.
"Dafür braucht es flexible Lösungen. Deshalb haben wir frühzeitig im Lehrplan Schwerpunkte gesetzt und durch Terminverschiebungen Zeit gewonnen." Die Prüfungen müssten angepasst werden, sowohl von den Formaten als auch von den Inhalten her, forderte Ilka Hoffmann, Leiterin des Organisationsbereichs Schule bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Dies bedeute allerdings keinen Qualitätsverlust.
"Im Distanzunterricht wurde nicht generell weniger, sondern anders gelernt." Der Bundeselternrat forderte, die Ansprüche der Abschlussprüfungen nicht zu reduzieren, sondern die Auswahlmöglichkeiten bei den Aufgaben zu erweitern. "Dadurch wird auf der einen Seite Rücksicht genommen auf den tatsächlich erteilten Unterricht und gleichzeitig die Bildungsqualität gesichert", sagte die stellvertretende Vorsitzende Sabrina Wetzel. "Sonst geht dieser Jahrgang mit dem Makel des Corona-Jahrgangs in die Geschichte ein."
Foto: Abgeschlossenes Schultor (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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