Frankfurt/Main - Bundesbankpräsident Joachim Nagel rechnet mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen durch den Krieg in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland. "Jetzt erleben wir schmerzhaft, wie abhängig wir von russischen Rohstoffen sind", sagte er dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe).
Wirtschaft und Politik wollten diese Abhängigkeit nun reduzieren. "Das bedeutet einen großen, anhaltenden Umbauprozess. Er überschneidet sich mit der Energiewende, soll aber deutlich schneller ablaufen." Dennoch rechnet Nagel nicht mit einer Stagflation, also einem Szenario hoher Inflation und wirtschaftlicher Schwäche.
"Eine Stagflation erwarte ich derzeit nicht, auch wenn die Auswirkungen des Kriegs die Inflationsrate erhöhen und das Wirtschaftswachstum schwächen werden." Gegenwärtig gebe es "keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale", bei der sich beide Faktoren gegenseitig verstärken. Zudem erwarte die Bundesbank weiter einen Aufschwung, der sich nun aber wohl verzögern werde. Nagel bewertet die Entscheidungen der EZB auf ihrer Ratssitzung in der vergangenen Woche als "guten und ausgewogenen Beschluss".
Die Notenbank hatte dort ein Ende ihrer Anleihezukäufe in diesem Jahr angedeutet. Er habe schon bei früheren Gelegenheiten deutlich gemacht, wie ernst er den Anstieg der Inflation nehme. "Wir sollten die Normalisierung unserer Geldpolitik im Blick haben." Der Beschluss beinhaltet auch, dass die erste Zinserhöhung "einige Zeit" nach dem Ende der Anleihezukäufe erfolgen soll.
Damit solle verdeutlicht werden, dass sich die EZB offenhalte, wann sie die Leitzinsen erhöhen wolle. "Ich finde es angesichts der hohen Unsicherheit sehr wichtig, dass wir uns nicht vorfestlegen, sondern beweglich bleiben." Sich selbst sieht Nagel als "Teamplayer im EZB-Rat, der aber auch kontroverse inhaltliche Diskussionen nicht scheut."
Foto: Stahlproduktion (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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