Frankfurt/Main - Das Hessische Landeskriminalamt ist dem Verdächtigem im Fall der "NSU 2.0"-Drohschreiben über Internetkommentare auf die Spur gekommen. Nach eigenen Angaben hatten die Ermittler durch Überwachung und Auswertung "relevanter Blogs und rechtspopulistischer Foren" im Internet einen User festgestellt, dessen Beiträge in Form und Duktus der Äußerungen Ähnlichkeiten mit den Drohschreiben des sogenannten "NSU 2.0" aufwiesen.
Linguistische Begutachtungen der Tatschreiben des "NSU 2.0" im Abgleich mit mehreren Kommentatoren auf der rechtspopulistischen Internetplattform durch das sprachwissenschaftliche Institut des Bundeskriminalamtes hätten zur Feststellung einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit der Autorenübereinstimmung geführt. Über Internetrecherchen wollen die Ermittler dann auf einer Schachplattform ein Profil festgestellt haben, das namensgleich auch in dem rechtspopulistischen Forum aktiv war. Auffällig sei dabei, dass in beiden Foren als Profilbild dieselbe Comicfigur Verwendung fand. Darüber hinaus seien aufgrund der Nutzung der gleichen IP-Adresse sowie der Feststellung wortgleicher Beleidigungen in der Chatfunktion der Schachplattform weitere Profile ermittelt worden, die mutmaßlich demselben Nutzer zuzuordnen sind.
Sowohl aus den Kommentaren als auch aus einer Ortsangabe auf der Schachplattform konnte ein Berlinbezug - wie in einigen Drohschreiben auch - hergeleitet werden. Aufgrund dieser Übereinstimmungen war davon auszugehen, dass hinter den Kommentatoren und den Nutzern der Schachplattform dieselbe Person steht, die auch die Drohschreiben unter Verwendung des Kürzels "NSU 2.0" verfasst, so die hessischen Ermittler. Darüber hinaus gab es Übereinstimmungen zwischen der Korrespondenz mit dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin. In den Eingaben führte der Beschuldigte unter anderem aus, wie man bei Behörden unter missbräuchlichem Vorgehen personenbezogene Daten erheben könne und dass er dies auch schon getan habe.
Hier nannte er fingierte Anrufe bei Behörden als angeblicher Behördenmitarbeiter. 1992 hatte sich der Mann schon einmal als Krimimalbeamter ausgegeben und war wegen Amtsanmaßung rechtskräftig verurteilt worden. Ferner steht der Beschuldigte im Verdacht, Anfang 2017 einen Würzburger Rechtsanwalt telefonisch bedroht zu haben. Dabei nannte der Anrufer die Privatanschrift des Rechtsanwalts und gab zu erkennen, dass er von seinen beiden Kindern wisse.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Punkte erscheint es nach Ansicht der Staatsanwaltschaft naheliegend, dass der Bschuldigte unter der Vorgabe, Bediensteter einer Behörde zu sein, telefonisch bei Polizeidienststellen nicht frei recherchierbare personenbezogene Informationen aus den Drohschreiben in Erfahrung gebracht hat, was in der Folge die festgestellten Datenabfragen bezüglich der Hauptgeschädigten auf dem 1. Polizeirevier in Frankfurt am Main, auf den Wiesbadener Revieren 3 und 4 sowie auf den betroffenen Revieren in Berlin plausibel erscheinen lasse. Untermauert werde diese Hypothese durch die Tatsache, dass in den Drohschreiben auch auf Anrufe bei der Chefredakteurin der "taz" in Berlin Bezug genommen wird. In einem dieser Anrufe gab sich eine männliche Person als Polizist des Abschnitts Berlin-Wedding aus, um so an die Mobilfunknummer einer weiteren Geschädigten zu gelangen. Insgesamt ergebe sich ein dringender Tatverdacht dafür, dass es sich bei dem Beschuldigten um den Verfasser und Absender der Drohschreiben handele, so die Staatsanwaltschaft.
Foto: Tastatur (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
Dann unterstütze dts Nachrichtenagentur jetzt direkt: