Brüssel - EU-Industriekommissar Thierry Breton hat Pläne präsentiert, wie die EU bis Jahresende russische Gaslieferungen vollständig ersetzen kann. "Es ist höchste Zeit, dass wir uns schon in diesem Jahr auf alle Eventualitäten vorbereiten", sagte er der "Welt" (Donnerstagausgabe).

"Dazu gehört auch ein vollständiger Lieferstopp für russisches Gas und sogar alle anderen fossilen Brennstoffe, die wir von dort beziehen. Wir müssen ein Szenario mit null fossilen Brennstoffen aus Russland vorbereiten und diskutieren." EU-Länder beziehen auch Öl und Kohle aus Russland. Diese beiden Energieträger zu ersetzen, sei relativ unkompliziert wenngleich teuer, sagte Breton.

Russisches Gas lässt sich nach den Berechnungen der Kommission durch eine Mischung aus neuen Lieferquellen und geringerem Verbrauch ersetzen. Laut den Angaben der Kommission liefert Russland pro Jahr 155 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die EU. Importe von Flüssiggas (LNG) vor allem aus den USA und Katar könnten 50 Milliarden Kubikmeter davon ersetzen. Verstärkte Lieferungen über aktuell nur teilweise oder gar nicht genutzte Pipelines nach Aserbaidschan, Algerien, Marokko oder Norwegen könnten 10 Milliarden Kubikmeter russisches Gas ersetzen. Beschleunigt fertig gestellte Biogasanlagen könnten bis Ende des Jahres 3,5 Milliarden Kubikmeter russisches Gas ersetzen, neue Windparks zehn Milliarden Kubikmeter und neue Solarparks 12,5 Milliarden Kubikmeter.

Die Raumtemperatur in Wohngebäuden um ein bis zwei Grad zu senken, könnte derweil den Gasverbrauch in Europa um zehn Milliarden Kubikmeter senken. Daneben hat Breton Einsparmöglichkeiten identifiziert, die mehr Konfliktstoff bieten. So schlägt er vor, die drei deutschen Atomkraftwerke, die in den nächsten Monaten vom Netz gehen sollen, weiter laufen zu lassen. Der französische Politiker hält das für eine technisch und politisch gangbare Option und verweist auf jüngste Aussagen von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck.

"Ich habe gehört, dass der Vizekanzler dazu nicht dezidiert, nein gesagt hat." Der Weiterbetrieb der drei Kraftwerke und der beiden belgischen Kraftwerken, deren Laufzeit am Wochenende verlängert wurde, können zwölf Milliarden Kubikmeter russisches Gas ersetzen, rechnete Breton vor. Zudem sei es möglich, bei der Stromerzeugung von Gas auf andere Energieträger zu wechseln. Durch die zusätzliche Verfeuerung von Kohle könnten 20 Milliarden Kubikmeter russisches Gas ersetzt werden.

"Alleine deutsche Kohlekraftwerke könnten 14 Milliarden Kubikmeter ersetzen, wenn sie bei voller Kapazität laufen würden", sagte Breton. Schweröl bei der Stromerzeugung zu verbrennen, könnte weitere zehn Milliarden Kubikmeter ersetzen.

Foto: Gas-Anschluss (über dts Nachrichtenagentur)

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