Berlin - Nach Ansicht von Experten wäre es möglich, schneller Corona-Impfstoffe zu produzieren, wenn die Entwicklerfirmen ihr Wissen teilen würden. Regierungen könnten und sollten dies einfordern, da sie Milliarden an öffentlichem Geld für die Impfstoffe zahlten, teilten Gesundheitsexperten aus mehreren Ländern dem NDR mit.

Zudem kritisieren sie die Intransparenz der Förder- und Liefervereinbarungen sowie der Entwicklungs- und Herstellungskosten. Die Staaten sollten von Pharmaunternehmen verlangen, dass sie ihre Technologie weitergeben, "damit möglichst viele verschiedene Hersteller auf der ganzen Welt mit der Produktion beginnen können", sagte Suerie Moon, Co-Direktorin des Global Health Centre in Genf, dem ARD-Politikmagazin "Panorama". Es gebe viele Hebel, mit denen man Unternehmen dazu bringen könne, etwa über Gesetze oder internationale Vereinbarungen. Sie forderte, die Impfstoff-Technologien in der aktuellen weltweiten Notsituation als "globales öffentliches Gut" zu teilen, "sodass alle auf der Welt davon profitieren".

Auch der Ökonom James Love von der Organisation Knowledge Ecology International in den USA fordert einen offenen Zugang zu den Technologien. Er sieht ein "großes Politikversagen" darin, dass Regierungen riesige Summen gezahlt, dies aber an so gut wie keine Vorgaben geknüpft hätten. Derzeit diskutieren die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) über einen Vorstoß von Indien und Südafrika. Die beiden Länder wollen erreichen, dass während der Pandemie bestimmte Patente ausgesetzt werden können.

Unterstützt werden sie von mehreren Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Human Rights Watch oder Amnesty International. Auch die UN-Menschenrechtskommission, die UNESCO und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordern einen offenen Zugang zu Daten und Informationen. Im Mai hatte die WHO bereits Firmen dazu aufgerufen, Patente und Daten in einen gemeinsamen Pool einzuspeisen. Staaten sollten entsprechende Klauseln in die Verträge mit Pharmaunternehmen aufnehmen.

Doch bis heute hat nach Auskunft der WHO keine Firma Rechte freigegeben. Die meisten wohlhabenderen Länder, darunter Deutschland, unterstützen bislang weder die WHO-Initiative noch den Vorstoß von Indien und Südafrika bei der WTO. Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im April vergangenen Jahres noch gesagt, es handele sich "um ein globales öffentliches Gut, einen Corona-Impfstoff zu produzieren und ihn dann auch in alle Teile der Welt zu verteilen". Auf Anfrage des NDR teilte das zuständige Bundesjustizministerium nun mit, es gebe "keine Belege dafür, dass gerade der Schutz geistiger Eigentumsrechte eine angemessene Versorgung mit Produkten behindert". Das wichtigste Mittel für eine arbeitsteilige Produktion sei die "freiwillige Erteilung von Lizenzen durch die Rechteinhaber".

Generell sieht das Ministerium den Schutz geistiger Eigentumsrechte als "einen wichtigen marktbasierten Anreiz für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen durch private Unternehmen". Damit stützt die Regierung die Position der Pharmabranche.

Foto: Impfzentrum (über dts Nachrichtenagentur)

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