East Lansing - In der Ukrainekrise sehen westliche Experten ein gesteigertes Kriegsrisiko wegen der gewachsenen Einsamkeit von Russlands Präsident Wladimir Putin in einer extremen Machtposition. Putin treffe in seinem Herrschaftssystem inzwischen niemanden mehr, der ihm noch widerspricht, sagte die US-Diktaturforscherin Erica Frantz dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

Russland sei zu einer personalistischen Diktatur geworden, ohne Institutionen, die etwas in Frage stellen oder bremsen könnten. "In einem solchen Umfeld gehen politische Führer höhere Risiken ein", warnte Frantz. Sie lehrt Politikwissenschaft in Michigan und ist Autorin des Standardwerks "Authoritarianism - What everyone needs to know". Der Psychologe und Hirnforscher Ian Robertson sagte dem RND, er halte im Ukraine-Konflikt die Anwendung militärischer Gewalt durch Putin für "sehr wahrscheinlich".

Diese Einschätzung knüpfe er ausdrücklich nicht an außen- oder militärpolitische Aspekte: "Ich sage das als Psychologe." Putin zeigt laut Robertson alle klassischen Merkmale eines Menschen, der eine viel zu lange Phase in der Position großer Macht nicht verkraftet habe. Stärker denn je vermittele Putin zum Beispiel den Eindruck, dass er zwischen sich selbst als Person und dem russischen Staat keinen Unterschied mehr sehe. Beängstigend sei auch Putins ins Extreme gewachsene Verachtung für alle Kontrollinstanzen, die in intakten Demokratien geschaffen wurden, um Entgleisungen von Mächtigen in Schach zu halten: freie Presse, freie Parlamente, unabhängige Gerichte, freie Meinungsäußerungen auf der Straße.

Robertson hat jahrzehntelang in Irland und den USA gelehrt. In Dublin gründete er das Trinity College Institute of Neuroscience, er ist Autor vieler Sachbücher, die sich um Psychologie und Macht drehen.

Foto: Wladimir Putin (über dts Nachrichtenagentur)

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