Berlin - Manfred Güllner, Chef des Forsa-Instituts, macht den Aufschwung der Unionsparteien an den Schwächen der SPD fest. An die Person des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz hätte man viele Hoffnungen geknüpft, die er auch selbst mit dem Stichwort Aufbruch geschürt habe, sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagausgabe).

"Nun fragt man sich, was bricht auf - und es ist nichts." Daher seien viele Menschen erst einmal von der Person Scholz enttäuscht. "Was die Partei angeht, so hat diese ihren Wahlerfolg falsch interpretiert. Sie ist nämlich nicht als SPD um ihrer selbst willen gewählt worden, sondern, weil man enttäuscht war über die Kanzlerkandidaten der anderen."

Der Chef des Forsa-Instituts sagte zudem, man könne in den Umfragen noch nicht abschätzen, ob in den besseren Unionszahlen schon ein Merz-Effekt enthalten sei. Man sehe jedoch, dass bei der Kanzlerpräferenz die Werte für Scholz stark zurückgingen, die für Merz aber noch nicht nach oben. "Vielmehr sagen viele Menschen, sie möchten weder Scholz noch Merz als Kanzler. Insofern ist der Merz-Effekt bislang nicht sicht- und messbar", so Güllner.

Zur aktuellen Konzentration der CDU auf den einen starken Mann sagte der Meinungsforscher, Parteien, die für sich selbst noch den Anspruch hätten, eine Volkspartei zu sein, müssten in der Breite der Wählerschaft verankert sein. "Das bekommt man mit einer einzigen Person nicht hin." Deshalb komme es auf das Zusammenspiel von Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder an, so der Forsa-Chef. Am Ende brauche die Union für einen Wahlerfolg beide Parteien.

"Entscheidend ist dabei, wie CDU und CSU miteinander umgehen. Wenn das nicht vernünftig gelingt, dann ist das extrem kontraproduktiv und schadet beiden, wie die Vergangenheit zeigt", sagte Güllner der "Passauer Neuen Presse" dazu. "Die Union braucht jedenfalls auch Söder." Zum neuen Führungsduo der Grünen sagte der Polit-Professor, man habe in Zeiten von Joschka Fischer gesehen, dass wenn die Grünen mit starken Figuren in der Regierung waren, die Parteiführung keine Rolle spielen.

Insofern komme es für die Grünen vor allem darauf an, wie Annalena Baerbock und Robert Habeck, die nach wie vor als die entscheidenden Figuren der Partei gesehen werden, in ihren neuen Ämtern agierten. "Bei Baerbock scheint sich eine ähnliche Entwicklung anzubahnen wie 1998 bei Fischer: Erst sagten die meisten, der dürfte nicht Außenminister werden, als er es dann aber war, fand man ihn rasch sehr gut im Amt. Ähnliches deutet sich bei Baerbock an: Die Vorbehalte gegen sie sind schon deutlich geschwunden", sagte Güllner der "Passauer Neuen Presse". Möglicherweise werde sie doch noch zur entscheidenden Figur für die Grünen, auch weil Habeck als Wirtschafts- und Klimaschutzminister mit seiner sehr schwierige Doppelfunktion zu kämpfen habe.

Foto: Olaf Scholz am 8.12.21 (über dts Nachrichtenagentur)

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