Berlin - Nach mehrmaliger Verschiebung soll das neue Bundespolizeigesetz am Donnerstag im Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD verabschiedet werden. Es sieht im Kern die Überwachung laufender digitaler Kommunikation wie etwa SMS oder E-Mails an der Quelle mit Hilfe eines Staatstrojaners (Quellen-TKÜ) vor, schließt aber auch eine umfassendere Online-Durchsuchung von IT-Geräten nicht aus und soll analog für andere Sicherheitsbehörden wie den Verfassungsschutz gelten.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland": "Die Einführung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung für Bundespolizei und Verfassungsschutz ist ein Generalangriff auf die Bürgerrechte und die IT-Sicherheit." Der Umgang mit Sicherheitslücken seien "völlig ungeklärte" und brächten allen Bürgern Nachteile, die digital kommunizieren. Außerdem würden mit dem aktuellen Gesetzespaket der Großen Koalition die Befugnisse von Nachrichtendiensten, Polizei und Strafverfolgung "bis zur Unkenntlichkeit miteinander vermischt", sagte der FDP-Politiker und beklagte "organisierte Verantwortungslosigkeit". Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem RND: "Die Bundespolizei hätte nach über 27 Jahren dringend eine moderne und rechtssichere Arbeitsgrundlage gebraucht. Der jetzt nach langem Ringen erzielte Formelkompromiss der Koalition ist nicht mehr als ein Notnagel, mit dem man sich offenbar in die nächste Wahlperiode retten möchte."

Sie nannte es "völlig unverständlich, warum die Quellen-TKÜ in dieser Form in das Gesetz gelangt ist, obwohl gegen die Maßnahme in anderen Gesetzen beim Bundesverfassungsgericht geklagt wird". Die Koalition wäre gut beraten gewesen, hier das Urteil aus Karlsruhe abzuwarten. Der Entwurf des Bundespolizeigesetzes beinhaltet, dass die Bundespolizei "die Telekommunikation einer Person überwachen und aufzeichnen" darf, wenn "dies zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, geboten ist" - oder "bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine (...) Straftat begehen wird, die eine nicht unerhebliche Schädigung der genannten Rechtsgüter erwarten lässt. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden."

Dabei werden unter anderem Straftaten "im Zusammenhang mit lebensgefährdenden Schleusungen oder Menschenhandel" als Grund genannt. Es soll sichergestellt sein, "dass ausschließlich laufende Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet wird". Gespeicherte Inhalte sollen jedoch ebenfalls aufgezeichnet werden dürfen, "wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können".

Die Maßnahmen müssten vom Präsidenten der Bundespolizei oder einem Vertreter genehmigt und von einem Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug könnte dies der Bundespolizeipräsident auch selbst tun. Dann müsste die Entscheidung binnen drei Tagen durch ein Gericht bestätigt werden. Die Überwachung soll maximal drei Monate dauern, kann aber um drei weitere Monate verlängert werden.

Die Daten sind nach spätestens sechs Monaten zu löschen. Sollten "allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt" werden, gilt die Überwachung als unzulässig. Das Gesetz verpflichtet alle Telekommunikationsunternehmen, "die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten auf dem von der Bundespolizei bestimmten Weg unverzüglich zu übermitteln". Das ebenfalls am Donnerstag zur Abstimmung stehende neue Verfassungsschutzrecht sieht eine ähnliche Regelung vor.

Foto: Smartphone-Nutzerin (über dts Nachrichtenagentur)

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