Brüssel - Grünen-Europapolitiker Erik Marquardt fordert nach systematischen Misshandlungen von Flüchtlingen durch staatliche Einheiten an der EU-Außengrenze Konsequenzen für die kroatische Regierung. Die Pushbacks an der kroatisch-bosnischen Grenze seien gewiss kein Einzelfall, sagte er dem "Spiegel".
Der kroatische Innenminister sei verantwortlich für die Gewalt gegen Schutzsuchende. Dessen "Gerede von individuellem Fehlverhalten" sei eine "Notlüge", so Marquardt. "Die bisherige Notlüge, nämlich dass diese Gewalt nicht von staatlichen Stellen organisiert wird, konnten die Recherchen bereits widerlegen. Man kann nur hoffen, dass Kroatiens Regierung für diese Verbrechen zur Verantwortung gezogen wird."
Kroatiens Innenminister Davor Bozinovic räumte am Freitag ein, dass auf den Videoaufnahmen, die der "Spiegel" und die anderen Medienpartner veröffentlicht hatten, kroatische Polizisten zu sehen sind. Er sprach von "inakzeptablem Verhalten einzelner Polizisten". Die kroatische Polizei hat nach eigenen Angaben inzwischen drei Polizisten identifiziert, die auf dem Video zu sehen seien. Es handele sich - wie vom "Spiegel" berichtet - um Beamte der Interventionspolizei, die im Dienst gewesen seien, so Polizeichef Nikola Milina bei einer Pressekonferenz in Zagreb.
Die Männer hätten jedoch "individuell gehandelt", es habe keinen Befehl dafür gegeben. Sie würden aus dem Dienst entfernt, weil sie "dem Ansehen der Polizei Schaden zugefügt" hätten. Die Recherchen des "Spiegel" und der weiteren Medienpartner deuten allerdings nicht auf individuelles Fehlverhalten hin - sie belegen ein System. Die Rechercheure filmte insgesamt elf Pushbacks von Flüchtlingen.
Drei kroatische Beamte, die anonym bleiben wollten, sprachen davon, dass die Befehle für die illegalen Aktionen aus Zagreb kämen. Einer sagte, die Weisung käme von ganz oben, aus dem Innenministerium von Davor Bozinovic. Zum Teil wird ihre Arbeit mit EU-Geldern finanziert. Für die monatelangen Recherchen werteten der "Spiegel" und die anderen Medienpartner Hunderte Videos aus und recherchierten selbst an den Grenzen.
Die Pushbacks werden demnach auch in Griechenland systematisch von staatlichen Einheiten durchgeführt. In der Ägäis sind unter anderem Spezialeinheiten der griechischen Küstenwache damit betraut, potenzielle Asylbewerber abzufangen und in orangen Rettungsflößen auf dem Meer auszusetzen. Die Rettungsflöße wurden zum Teil mit EU-Geld erworben.
Foto: Kroatien (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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