Berlin - Der Ko-Vorsitzende der Grünen Robert Habeck verlangt, afghanische Flüchtlinge wegen der dramatischen Lage in ihrem Land nicht mehr aus Deutschland abzuschieben. Zugleich übt er Kritik an der Bundesregierung.
Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) sagte er, in einem internen Bericht des Auswärtigen Amtes von Mitte Juli tue die Regierung noch so, als wäre in Afghanistan "nichts geschehen". Nun aber sei die Zeit gekommen, die Lageeinschätzung zu revidieren "und in einem darauf folgenden Schritt auch die Abschiebepraxis. So, wie es auch unsere europäischen Partner Schweden, Finnland und Norwegen getan und Abschiebungen ausgesetzt haben." In den kommunalen Spitzenverbänden wächst unterdessen die Sorge vor einer neuen Migrationskrise.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte der FAS, die internationale Staatengemeinschaft sei jetzt "dringend aufgerufen, ein Flüchtlingsdrama in Afghanistan zu verhindern". Die Menschen dort müssten in ihrer Heimat leben können und sich nicht auf eine gefährliche und ungewisse Flucht begeben müssen. "Jetzt rasch in der Region zu handeln und auch die Nachbarstaaten zu unterstützen ist das Gebot der Stunde," fügte er hinzu. Aus dem Landkreistag kommen ähnliche Äußerungen.
"Wir appellieren an Deutschland und die EU, die Außengrenzen der Union zu sichern", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Kay Ruge der FAS. "Den bedrohten Menschen in Afghanistan muss dringend im Land selbst oder in der Region geholfen werden." Hier müsse Europa als Ganzes aktiv werden, bevor die Lage außer Kontrolle gerate. Ruge fügte hinzu, bei der Aufnahme von Flüchtlingen dürfe es keine "deutschen Sonderwege" geben. Deutschland habe den Einsatz in Afghanistan zusammen mit seinen Partnern durchgeführt, also müssten auch alle die Folgen gemeinsam tragen.
"Bei einem generellen Exodus kann die Lösung deshalb nur europäisch sein." Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat schon vor einigen Tagen eine Warnung ausgesprochen. Auf einem Informationsblatt heißt es, seit Januar hätten innerhalb Afghanistans mehr als 300.000 Menschen ihre Heimat verlassen müssen. In Afghanistan gibt es demnach mittlerweile knapp 2,9 Millionen Binnenvertriebene, in den Nachbarländern Pakistan und Iran 1,4 beziehungsweise 0,8 Millionen.
Das UNHCR verbindet diese Lagebeschreibung mit einem Hilferuf. Auf seiner Internetseite heißt es: "Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, der Regierung und dem Volk von Afghanistan sowie seinen Nachbarn in diesem kritischen Moment mehr zu helfen." Es herrsche ein "dramatischer" Mangel an humanitären Ressourcen. Die Projekte des Hilfswerks für Afghanistan und seine Nachbarn seien "akut unterfinanziert".
Nur 43 Prozent der erbetenen 337 Millionen Dollar seien bisher eingetroffen.
Foto: Robert Habeck (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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