Berlin - Der Chef der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, sieht die Pläne der künftigen "Ampel"-Koalition für ein Vorziehen des Kohleausstiegs von 2038 auf 2030 kritisch. Das sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben).
"Das Ausstiegsdatum 2038 haben wir in der Kohlekommission ja nicht irgendwie ausgekegelt, sondern es gewählt, weil es unter derzeitigen Bedingungen erreichbar ist", so der Gewerkschafter. "Wenn man es nun vorziehen will, muss man die Frage beantworten, wie das gehen soll", fügte er hinzu. Bereits in der Vergangenheit seien präzise Abschaltpläne Kern- und Kohlekraftwerke formuliert worden, doch dann sei der Ausbau der Erneuerbaren Energien "nicht vom Fleck gekommen", beklagte Vassiliadis. "Wenn die Politik ihre eigenen Ausbauziele bei Erneuerbaren Energien und Netzen ernst nimmt, wird die Kohleverstromung automatisch früher auslaufen. So ist übrigens schon der Kohlekompromiss angelegt." Der Vorsitzende der IG BCE nannte es "richtig und wichtig", dass die angehenden Koalitionäre den Ausbau von erneuerbaren Energien, Gaskraftwerken und Leitungen in ihrem Sondierungspapier thematisieren. Allerdings müsse die Regierung auch die Frage beantworten, wie sie ihre ambitionierten Ziele erreichen wolle. "Stand heute ist 2030 ein Symbol, mehr nicht. Mit Symbolpolitik werden wir den Klimawandel nicht stoppen", so Vassiliadis. Die Kritik von Klimaschützern am geplanten Bau neuer Gaskraftwerke wies er zurück und warnte vor Blackouts, falls diese nicht gebaut würden. "Wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien und Netze nicht in dem erforderlichen Tempo und Umfang gelingen, bekommen wir Versorgungsprobleme, wenn wir gleichzeitig Atom- und Kohlekraftwerke abschalten. Der Übergang wird ohne Gaskraftwerke nicht gelingen." Vassiliadis plädierte dafür, neue Kraftwerke an bereits bestehenden Standorten anzusiedeln. "Dort gibt es die Leitungen, dort gibt es Personal und Know-how. Dafür werden wir kämpfen", kündigte er an. Die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität nannte Vassiliadis einen "Umbruch von historischer Qualität". Allein für die Versorgung der chemischen Industrie mit CO2-freier Energie seien rechnerisch 42.000 Windkraftanlagen nötig. Bislang aber seien in Deutschland gerade erst 32.000 gebaut worden, so der Gewerkschafter. "Genau weil wir eine funktionierende Energiewende und Klimaschutz wollen, pochen wir auf Realismus und Sachlichkeit in der Debatte." Der Gewerkschaftskongress der IG BCE ist das höchste beschlussfassende Organ der zweitgrößten deutschen Industriegewerkschaft und findet nur alle vier Jahre statt.
400 Delegierte werden von Sonntag bis Donnerstag im Hannover Congress Centrum über die personelle und inhaltliche Aufstellung der IG BCE beraten und entscheiden.
Foto: Tagebau Hambach (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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