Berlin - Die Telefonseelsorge hat im Januar 2021 sieben Prozent mehr Gespräche geführt als noch im Januar 2020. Das geht aus einer Auswertung hervor, über die die "Bild" (Montagausgabe) berichtet. Demnach wurden im ersten Monat diesen Jahres 87.144 Seelsorge- und Beratungsgespräche geführt, das sind 6.274 mehr als im Januar 2020. Besonders viele Anrufe hat es im November (+14,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und in der Osterwoche (+25 Prozent) gegeben.

Der Anteil der Menschen, die einsam sind, hat laut der Auswertung um 20 Prozent zugenommen. In der letzten Januarwoche drehten sich 4.100 von 18.590 Gesprächen um dieses Thema. "Die gesamte Gesellschaft steht zunehmend unter Druck. Der Lockdown isoliert auch Gruppen, die unter normalen Umständen kaum Probleme mit Einsamkeit hätten: Schüler, Studenten, Azubis, Gastronomen, Alleinerziehende - die Liste ließe sich endlos fortführen", sagte der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Alfred Bauer der "Bild". Er warnt: "Wenn diese Lockdownphase noch länger andauert, wird die Gesamtsituation für viele unerträglich. Wir werden entwicklungsgestörte Kinder und vom Leben überforderte Ältere haben. Wir müssen hoffen dürfen. Es muss jetzt deutlich werden, dass es nicht nur Licht am Ende des Tunnels gibt, sondern dass der Tunnel bereits fast durchschritten ist." Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag Marcus Weinberg (CDU) fordert angesichts der aktuellen Entwicklungen "schnellstmöglich" einen Krisengipfel der Bundesregierung zum Thema Einsamkeit. "Es braucht eine Strategie mit einem kurzfristigen Aktionsplan zur Bekämpfung der Einsamkeit", sagte Weinberg. "Es ist dramatisch und schlimm, dass sich insbesondere immer mehr Kinder einsam fühlen. Viele alleingelassene ältere Menschen verlieren mittlerweile die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität." Und auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Katja Mast warnt: "Einsamkeit ist keine individuelle, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung - gerade in einer Zeit, in der Begegnungen flüchtiger und digitaler werden. Dauerhafte Einsamkeit macht krank. Deshalb müssen wir alle gemeinsam dafür sorgen, dass niemand übersehen wird." Mast will deshalb das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Einsamkeit und Begegnungsorte fördern.

"Einsamkeit ist ein stilles Phänomen. Daher ist es umso wichtiger das Thema auf die politische Tagesordnung zu setzen. Sie zu bekämpfen braucht alle Ebenen - Kommune, Land und Bund."

Foto: Frau mit Telefon (über dts Nachrichtenagentur)

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