Berlin - Für den Migrationsforscher Gerald Knaus ist der Konflikt an der Grenze zu Weißrussland eine der schwersten Krisen der Geschichte der EU. "Tatsächlich ist das, was momentan an der Grenze zu Belarus passiert, für die Europäische Union eine der dunkelsten Episoden in der Geschichte ihres Grenzregimes, auch wenn die Zahlen klein sind", sagte er dem Nachrichtenportal Watson. "Es geht um das Prinzip, ob Grundrechte ausgesetzt werden können. Es geht um Moral und politische Strategie. Was, wenn wir später erfahren, was wir jetzt noch gar nicht genau wissen, weil es vor Ort wenige Beobachter gibt, dass in diesem Winter eine größere Zahl von Menschen in der Kälte ihr Leben verlor, die die EU zurückgestoßen hat? Wenn sich dann viele fragen `Wie konnte es dazu kommen`, ist es zu spät."
Außenminister Heiko Maas (SPD) rät er, einen ähnlichen Deal wie das EU-Türkei-Abkommen mit Drittstaaten auszuhandeln. Wörtlich sagte er auf die Frage, was er Maas sagen würde, stünde er vor ihm: "Er ist Jurist, er weiß, was hier auf dem Spiel steht, warum das non-refoulement Gebot gerade für Deutschland zu verteidigen wäre. Ich würde ihm raten, so groß zu denken wie die Kanzlerin im März 2016, als sie der Türkei sechs Milliarden Euro für einen, auch für die EU sinnvollen Zweck anbot."
Und mit osteuropäischen Demokratien im Stillen intensiv zu verhandeln, ob diese bereit wären, der EU ab einem Stichtag durch die Aufnahme einer kleinen Zahl von Menschen, die danach noch aus Weißrussland in die EU kommen, zu helfen. "Und dafür ähnlich große Unterstützung wie 2016 anbieten, etwa für den Ausbau erneuerbarer Energie und Infrastruktur. Die EU könnte Moldau eine konkrete Perspektive bieten, dem europäischen Binnenmarkt beizutreten."
Um die akute Krise zu bewältigen, brauche es drei Dinge, so Knaus: "Es ist richtig, durch Sanktionen den Druck auf das Lukaschenko-Regime zu erhöhen. Deutschland und andere Länder sollten Polen dazu aufrufen, Menschen bei diesem zynischen Spiel, das Lukaschenko mit deren Leben spielt, nicht zurückzustoßen. Und man sollte mit Hochdruck daran arbeiten, zunächst in Brüssel die rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, dass man Menschen in ein sicheres Drittland bringen kann und dann mit möglichen Partnern verhandeln."
Foto: Weißrussland (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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