Berlin - Lehrergewerkschaften warnen davor, bei möglichen Lockerungen in der Corona-Politik die Folgen für die Schulen aus den Augen zu verlieren. "Schulen sind keine Inseln, Infektionen werden in die Einrichtungen getragen und verbreiten sich auch hier", sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
"In anderen gesellschaftlichen Bereichen Schutzmaßnahmen zu lockern, bedeutet deshalb, sehenden Auges in Kauf zu nehmen, dass die Infektionszahlen an den Schulen weiter und weiter steigen - und immer mehr Einrichtungen schließen müssen", fügte sie hinzu. "Das steht in krassem Widerspruch zu dem politischen Willen und Ziel der Kultusministerinnen und -minister, dass offene Schulen höchste Priorität haben." Die GEW-Chefin forderte: "Die Gesellschaft muss Rücksicht auf die Schulen, die Gesundheit der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler nehmen." Es sei richtig, dass ein Konzept für Öffnungsschritte - gesellschaftlich und für die Schulen - gebraucht werde, wenn die Inzidenzwerte und Hospitalisierungsraten heruntergingen, so Finnern.
"Bei den aktuell explodierenden Infektionszahlen verbietet sich jedoch, schon jetzt nach Lockerungen zu rufen", sagte sie. "In den Schulen liegen die Werte teils weit über dem gesellschaftlichen Schnitt." Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, sagte, es sei verständlich, dass die Sehnsucht nach Lockerungen in der Gesellschaft nach zwei Jahren Pandemie groß sei. "Bei der derzeitigen Diskussion über mögliche Lockerungen hat man allerdings erneut den Eindruck, dass die Politik bei ihren Überlegungen in erster Linie die Vorteile für die Wirtschaft im Blick hat und die möglichen Auswirkungen auf die Schulen keine wahrnehmbare Rolle spielen", sagte Beckmann.
"Wenn die Inzidenzen in den Schulen weiter so extrem hoch sind, muss die Politik unbedingt prüfen, ob Lockerungen in anderen Bereichen verantwortbar sind", forderte er. "Es wäre schizophren, wenn man demnächst wieder überall tanzen darf, aber Kinder wegen der hohen Inzidenzen in den Schulen nicht singen können." Es sei scheinheilig, wenn die Politik die Bedeutung von Schule als Lern- und Sozialraum in Sonntagsreden immer wieder in den Vordergrund stelle, "aber gleichzeitig nicht bereit ist, alles dafür zu tun, Schulen zu einem Ort zu machen, in dem wieder regulärer Unterricht stattfinden kann".
Foto: Klassenraum in einer Schule (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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