Berlin - Der ehemalige Präsident der Intensivmediziner-Fachgesellschaft DIVI, Uwe Janssens, beklagt eine Übertherapie auf deutschen Intensivstationen. "Wir sagen nicht, dass wir zu viele Intensivbetten haben - sondern dass diese oft mit den falschen Patienten belegt sind", sagte Janssens der Wochenzeitung "Die Zeit".

Tatsächlich könnten Ärzte nahezu jeden Menschen am Leben halten - "aber im Einzelfall fehlt mitunter ein echtes Therapieziel". Die Gesellschaft habe verlernt, offen mit dem Tod umzugehen. "Warum sollte es Ärzten anders gehen? Für viele Mediziner ist der Tod der Feind. Der Todfeind", so Janssens.

Er hatte zuletzt zusammen mit Kollegen von der DIVI ein Positionspapier veröffentlicht, in dem die Mediziner sich gegen die Überversorgung auf Intensivstationen wenden. Als eine Ursache nennen die Autoren "Selbstüberschätzung und unbewusste Allmachtsphantasien" bei Ärzten. Auch ökonomische Zwänge spielten eine große Rolle, so Janssens, vor allem in manchen Kliniken: "Kollegen, die bei großen national und international operierenden Krankenhauskonzernen arbeiten, wissen sehr wohl, dass der Anspruch ihrer Arbeitgeber nicht ausschließlich eine schwarze Null am Jahresende ist. Da müssen Erlöse erwirtschaftet werden, um die Shareholder zu bedienen."

Eine gute Kommunikation von Ärzten sieht er als einen der wichtigsten Punkte, um eine Überversorgung zu vermeiden, aber auch als einen der schwierigsten: "Operieren, glaube ich - überspitzt gesagt -, kann man schneller lernen, als gute Gespräche zu führen."

Foto: Krankenhausflur (über dts Nachrichtenagentur)

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