Wiesbaden - Die Zahl der gemeldeten Kinderschutzfälle ist im ersten Corona-Jahr 2020 gestiegen. Insgesamt gab es 127.108 Fälle von Kindeswohlgefährdungen und Fällen von Hilfebedarf und damit rund elf Prozent mehr als 2019, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.
Die Jugendämter in Deutschland stellten 2020 bei 60.551 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung fest. Bei weiteren 66.557 Minderjährigen kamen die Behörden zu dem Ergebnis, dass zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber Hilfe- oder Unterstützungsbedarf vorlag. Schulen und Kitas meldeten allerdings insbesondere im Frühjahr 2020 deutlich weniger Fälle als gewöhnlich, wie Experten befürchtet hatten und angesichts des Lockdowns auch zu erwarten war. "Insbesondere im April und Mai 2020 - also einen Monat nach den ersten coronabedingten Schulschließungen im März und April - lagen die von Schulen gemeldeten Kinderschutzfälle deutlich unter dem Vorjahresniveau", sagte eine Expertin für Kinder- und Jugendhilfestatistik im Statistischen Bundesamt.
"Zeitgleich nahmen auch die von Kitas gemeldeten Fälle ab, jedoch nicht so stark wie bei Schulen", so Nöthen weiter. In den Sommermonaten Juni, Juli und August - in denen das Niveau ferienbedingt in der Regel niedriger ausfällt - näherten sich die Fallzahlen dann wieder den Vorjahreswerten an, blieben aber weiterhin unter deren Niveau. Erst im Herbst und Winter 2020 überschritt die Zahl der von Schulen gemeldeten Kinderschutzfälle dann die Fallzahlen von 2019. Insgesamt waren die betroffenen Kinder in 70 Prozent aller von Kitas oder Schulen gemeldeten Kinderschutzfälle jünger als 12 Jahre.
Besonders hoch waren die Anteile der Unter-12-Jährigen im April und Mai 2020 mit 75 Prozent und 74 Prozent (April und Mai 2019: jeweils 69 Prozent). Bei anderen Hinweisgebern gab es beim Thema Kinderschutz im Zuge des ersten Lockdowns keinen Rückgang der Fallzahlen, so zum Beispiel bei Polizei, Gerichten und Staatsanwaltschaften. Im Jahr 2020 sind die von Polizei und Justiz gemeldeten Fälle sogar mit +16 Prozent überdurchschnittlich gestiegen. Dabei bewegten sich die monatlich gemeldeten Kinderschutzfälle auf relativ hohem Niveau zwischen 2.253 (Februar) und 3.019 (Juli).
Besondere Auffälligkeiten waren hier im Frühjahr nicht auszumachen. Ähnliches gilt für die von der Bevölkerung, also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym gemeldeten Fälle: Hier schwankten die monatlichen Meldungen zwar etwas stärker zwischen 1.904 (Februar) und 3.062 (Juli) Fällen, im Frühjahr gab es aber auch hier keine nennenswerten Rückgänge. Die Bevölkerung hatte 2020 rund 18 Prozent mehr Kinderschutzfälle als 2019 gemeldet - und damit ebenfalls überdurchschnittlich viele.
Foto: Spielendes Kind (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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