Berlin - Der Merkel-Berater und Berliner Mobilitätsforscher Kai Nagel hat die Länder angesichts der sich rasch ausbreitenden britischen Virus-Mutation gewarnt, die bevorstehenden Schulöffnungen auf die leichte Schulter zu nehmen. "Es sieht in unseren Modellen dramatischer aus als vor drei Wochen", sagte der Leiter des Fachgebiets Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik an der TU Berlin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben).

Simuliere man die neuesten bekannten Daten zur Virusmutation B117, zeige sich, dass die Variante wahrscheinlich doppelt so ansteckend ist wie das herkömmliche Coronavirus. Er könne jedem nur eindringlich empfehlen, bei Aktivitäten in Innenräumen wie Unterricht oder Meetings Mund-Nase-Masken zu tragen und andere Schutzmaßnahmen einzuhalten. Firmen könnten an Präsenzarbeitsplätzen noch mehr tun, etwa Luftreiniger anschaffen. "Situationen in Innenräumen ohne Maske werden gefährlicher, wenn wir da nicht ordentlich durchpusten."

Mit Blick auf die von diesem Montag an in mehreren Bundesländern geplanten Schulöffnungen sagte Nagel, er hätte sich grundsätzlich kleinere Öffnungsschritte gewünscht. Vernünftig sei, dass die Länder auf Wechselunterricht setzten, damit weniger Schüler gleichzeitig unterwegs seien. In der Debatte um weitere Lockerungen ab einem stabilen Sieben-Tage-Inzidenzwert unter 35 warb Nagel dafür, den R-Wert nicht aus dem Blick zu verlieren. "Es wäre gut, wenn sich alle darauf verständigen, dass der R-Wert dauerhaft unter eins gehalten werden muss."

Zuletzt lag der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert nach RKI-Angaben am Donnerstagabend bei 0,94 (Vortag: 0,85). Das heißt, 100 Infizierte stecken rechnerisch 94 weitere Menschen an. Der Wert zeigt das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen an. Nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn gehen inzwischen mehr als 22 Prozent der Positivfälle in Deutschland auf die Mutation B117 zurück.

Nagels Forschergruppe modelliert das Infektionsgeschehen in Berlin unter anderem mit anonymisierten Mobilfunkdaten, Virus-Kennzahlen, Temperaturen und Freizeitaktivitäten. Die Erkenntnisse können bundesweit übertragen werden. Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsidenten zogen die Simulationen der Berliner Wissenschaftler wiederholt zu Rate.

Foto: Schule mit Corona-Hinweis (über dts Nachrichtenagentur)

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