Berlin - Die Schriftstellerin Olga Grjasnowa blickt mit kritischem Blick zurück auf ihre Schulzeit. "Ich wurde aus der sechsten in die vierte Klasse zurückgestuft. Das war demütigend", sagte Grjasnowa der Wochenzeitung "Die Zeit".

In den Neunzigerjahren war sie mit ihrer Familie aus Aserbaidschan nach Deutschland emigriert. Sie sei am ersten Schultag in die Klasse geführt und trotz fehlender Sprachkenntnisse nicht betreut worden: "Es gab kein pädagogisches Konzept, und genau das war das Konzept." Noch in der 13. Klasse habe eine Lehrerin ihr keine Bestnote gegeben, weil sie mit Akzent gesprochen habe, so Grjasnowa.

"Wenn man nach Kanada emigriert, erklärt eine Beraterin, wie das Schulsystem funktioniert. In Deutschland gab es das bewusst nicht: Die Leute sollten damals gar nicht wissen, dass sie aufs Gymnasium könnten", behauptet Grjasnowa. Sie kritisiert, dass in Deutschland nicht alle Sprachkenntnisse dasselbe "soziale Prestige" hätten: "Staatliche Schulen in Neukölln mit Kindern, die Deutsch und Arabisch beherrschen, gelten als Ghetto und Parallelgesellschaft - teure Privatschulen in München, die Französisch und Chinesisch anbieten, sind okay." Sie selbst habe schließlich durchs eigenständige Lesen die deutsche Sprache erlernt: "24 Bände Hanni und Nanni, aus der Stadtbibliothek, dort habe ich viele Stunden verbracht. Ich mochte diese Bücher nicht besonders, auf Russisch war ich ja schon viel weiter. Das Sprechen und Verstehen wurde so aber immer leichter, immer klarer."

Die Schriftstellerin wurde seit Erscheinen ihres Debütromans "Der Russe ist einer, der Birken liebt" (2012) mit mehreren Preisen und Stipendien geehrt. Zuletzt hat sie das Sachbuch "Die Macht der Mehrsprachigkeit" veröffentlicht.

Foto: Olga Grjasnowa (über dts Nachrichtenagentur)

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