Berlin - Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hält Steuererhöhungen für die Bewältigung der Lasten durch die Corona-Pandemie nicht für vordringlich. "Mit gutem Wachstum haben wir alle Chancen, bei der Verschuldung in absehbarer Zeit wieder dort zu landen, wo wird vor der Pandemie lagen", sagte Scholz dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagausgaben). Die Verschuldung wachse zwar deutlich, aber "nicht ins Unermessliche", so der Vize-Kanzler.

Nach der Finanzkrise 2008/2009 seien die Schulden auf mehr als 80 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen, kurz vor der Pandemie hätten sie bei 60 Prozent gelegen. "Nach aktuellen Berechnungen landen wir nun bei knapp über 70 Prozent, also deutlich niedriger als nach der Lehman-Pleite", so der SPD-Politiker. Scholz sprach sich zugleich dafür aus, dass das Steuersystem "fair und gerecht" sein müsse. "Diejenigen, die sehr große Gewinne machen und sehr, sehr viel Geld verdienen, müssen einen angemessenen Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens leisten", sagte er. "Die Mehrheit der Bürger, die kleine, mittlere und ganz ordentliche Einkommen haben, müssen entlastet werden." Das könne aber nur funktionieren, wenn die oberen fünf Prozent der Einkommensbezieher, die ein paar Hunderttausend Euro im Jahr verdienten, mehr zahlten. Er sprach sich zudem für die Wiedereinführung der Vermögensteuer aus. "Die SPD befürwortet eine Vermögensteuer, die sich eng am Schweizer Modell orientiert", sagte er. Der Bundesfinanzminister sieht ausreichend Spielraum im Haushalt, auch bei einer weiter andauernden Pandemie, Finanzhilfe für die Betroffenen zu leisten. "Unser Land hat die finanzielle Kraft, in diesem und im nächsten Jahr alles zu tun, was nötig ist, um die Kontrolle über die Pandemie zu behalten und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen abzufedern", sagte Scholz dem RND. "Wenn es nötig werden sollte, können wir nochmal nachlegen", so Scholz. Er habe schon früh von einer "neuen Normalität" gesprochen, auf die sich die Bevölkerung einstellen müsse. "Solange es weder Therapien gibt noch die Bürgerinnen und Bürger geimpft sind, müssen wir das Geschehen sehr genau beobachten und schnell und entschlossen handeln, wenn die Infektionszahlen unser Gesundheitssystem zu überfordern drohen." Er sei für diesen Weg eingetreten, und er sei richtig. "Was wir bisher getan haben, zeigt Wirkung: Die Konjunktur hat rasch wieder Tritt gefasst, der Wirtschaftseinbruch hält sich immerhin in Grenzen, es läuft vielfach besser als erwartet", fügte der SPD-Politiker hinzu. Der Bundesfinanzminister stellte mehr finanzielle Hilfen für die von der Corona-Pandemie besonders betroffene Kultur- und Veranstaltungsbranche in Aussicht. "Ich kann mir beispielsweise Finanzhilfen für den Fall vorstellen, dass geplante Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt werden müssen", sagte Scholz dem RND. "Denn es kann nicht sein, dass die Organisatoren ohne eigenes Verschulden auf allen Kosten sitzen bleiben", so der Minister. Zudem soll es nach seinen Worten einen Ausgleich für die geringere Zahl möglicher Zuschauer während der Pandemie geben. "Ich plane auch eine Unterstützung für künftige Kulturveranstaltungen, damit sie sich wirtschaftlich auch noch rechnen, wenn die Zahl der Zuschauer durch die Corona-Schutzregeln stark begrenzt ist", fügte er hinzu. Auf die Frage, ob es auch den in der Branche geforderten Unternehmerlohn als eine Art Kurzarbeitergeld für Selbstständige geben wird, sagte Scholz: "Ich will auch etwas für die Soloselbständigen tun. Lassen Sie uns noch ein paar Tage Zeit, miteinander und vor allem mit der EU-Kommission gute Lösungen zu finden." Er habe intensiv mit der Kultur- und Veranstaltungsbranche gesprochen, die sich in der Initiative "Alarmstufe Rot" zusammengeschlossen hat. "Mein Ziel ist es, eine möglichst maßgeschneiderte Lösung hinzukriegen, auch wenn es kompliziert ist", so der Minister.

Foto: Container (über dts Nachrichtenagentur)

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