Hannover - Der Vorstoß von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), den generellen Abschiebestopp nach Syrien Ende des Jahres auslaufen zu lassen, stößt bei den Sozialdemokraten auf Unverständnis. "Minister Seehofer ignoriert bei seinem Vorschlag die Realitäten und versucht auf durchschaubare Weise, politisch zu punkten", sagte Boris Pistorius, Innenminister von Niedersachsen und Sprecher der SPD-Innenressortchefs, der "Welt" (Samstagausgabe): Seehofer hatte zuvor gesagt, er wolle künftig zumindest für Straftäter und Gefährder wieder in jedem Einzelfall prüfen, ob Abschiebungen nach Syrien möglich sind.
Der generelle Abschiebestopp für Syrien war von den für die Durchführung von Rückführungen zuständigen Bundesländern nach Ausbruch des Bürgerkrieges mehrfach verlängert worden. Die Botschaft Deutschlands in dem Land ist weiterhin geschlossen. SPD-Minister Pistorius sagte, die Lage in Syrien habe sich "nicht gebessert, im Gegenteil". Das Regime um Machthaber Baschar al-Assad morde und foltere.
Auch Niedersachsen würde "sofort Straftäter oder Gefährder nach Syrien abschieben - dies ist derzeit allerdings unmöglich". Die Bundesrepublik verfüge aktuell über "keine diplomatischen Beziehungen und keine deutsche Vertretung in Syrien, die eine Rückführung anbahnen könnte". Rechtliche seien klare Grenzen gesetzt, sagte Pistorius und verwies damit darauf, dass deutsche Verwaltungsgerichte jede einzelne Rückführung auf den Weg bringen müssten. Er verstehe den Impuls, Schwerverbrecher und Terroristen abzuschieben, "ohne Rücksicht darauf, dass ihnen Folter oder Tod" drohten.
"Wir wären nicht besser als diese, wenn wir das täten. Die archaischen Zeiten des `Auge-um-Auge` sind Gott sei Dank lange vorbei." Bereits nach islamistischen Anschlag eines Gefährders in Dresden mit einem Toten hatten mehrere Unionspolitiker den Abschiebestopp nach Syrien infrage gestellt. Pistorius spricht jedoch von einer "Geisterdebatte", da nur "ein sehr kleiner Teil der Gefährder" in der Bundesrepublik tatsächlich aus Syrien stamme.
Jedoch: "Sobald es die Sicherheitslage in Syrien erlaubt und staatliche Stellen dort als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, muss die Bundesregierung schnellstmöglich die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme von Abschiebungen schaffen." Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) unterstützt dagegen den Vorstoß Seehofers: "Die Zeiten ändern sich und die Situation vor Ort in Syrien kann sich ebenfalls ändern", sagte Strobl der "Welt". Wenn es in Syrien vergleichsweise sichere Gebiete gebe, "sollten wir zumindest Gefährder und Straftäter, die schwere und schwerste Straftaten begangen haben, oder solche, die das Assad-Regime unterstützen, nach Syrien abschieben können". Er wies darauf hin, dass er seit Langem fordere, dass das Auswärtige Amt seine Analyse "in kurzen Zeitabständen" überprüfe.
"Die große Mehrheit der Menschen in unserem Land - dazu gehöre ich übrigens auch - versteht nicht, warum Kriminelle, die schlimme Straftaten begehen, nicht nach Syrien in sichere Gebiete abgeschoben werden sollen. Wenn das Abschiebungsverbot nicht bestehen würde, könnten wir diese gefährlichen Menschen abschieben, das wäre ein klarer Sicherheitsgewinn für unser Land." Joachim Herrmann (CSU), Innenminister von Bayern und provisorischer Sprecher der Unionsinnenminister, will sich dafür einsetzen, dass der Abschiebestopp nicht verlängert wird. "Menschen, die in unserem Land schwere Straftaten begehen oder als Gefährder unsere Demokratie und Werteordnung bekämpfen, können nicht allen Ernstes erwarten, dass sie bei uns Hilfe oder Schutz finden. An dieser Stelle hat der Schutz der bayerischen Bevölkerung klaren Vorrang und oberste Priorität", sagte er der "Welt".
Man müsse "alle Hebel des Rechtsstaats in Bewegung setzen, um syrische Straftäter, die sich schwerer Straftaten schuldig gemacht haben, und Gefährder außer Landes zu bringen". Der Abschiebestopp dürfe "kein Freibrief für gewalttätige und bereits verurteilte Straftäter sein". Mit Blick auf Einzelfälle müssten die Voraussetzungen für Rückführungsmöglichkeiten von Straftätern und Gefährdern nach Syrien geschafft werden.
Foto: Polizei (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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