Berlin - Der Klimawandel führt in Deutschland bereits zu einer deutlichen Zunahme bestimmter Krankheiten und damit auch zu höheren Kosten im Gesundheitswesen. Das geht aus einer Studie des BKK Landesverbands Nordwest hervor, aus dem die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" zitiert (Donnerstagausgabe).
Der Anstieg der Temperaturen und die Häufung sehr heißer Sommer hat demnach im vergangenen Jahrzehnt zu mehr Hitzekollapsen, Dehydrierungen, Borreliose-Infektionen und Pollenallergien geführt. Der Vergleich der Daten von rund zehn Millionen BKK-Versicherten mit Klimadaten zeigt einen drastischen Anstieg etwa von Hitzschlägen und Hitzekollapsen in den besonders heißen Sommern 2015, 2018 und 2019. Auf 100.000 Versicherte kamen von April bis September 2019 im Bundesschnitt 120 Fälle solcher "Hitzeschäden", fast dreimal so viele wie 2011. Jeder Behandlungsfall kostete die Kasse im Schnitt 6.512 Euro.
Am häufigsten erlitten Freilandarbeiter wie Spargelstecher Hitzeschäden, aber auch Kranken- und Altenpflegekräfte waren überdurchschnittlich betroffen. "Auch das Gesundheitswesen selbst ist derzeit sprichwörtlich nicht wetterfest, Klimaanpassung ist das Gebot der Stunde. Auch für künftige Hitzewellen sind Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser oft nicht gut genug gewappnet", sagte Dirk Janssen, Chef des BKK Landesverbands Nordwest, der WAZ. Er fordert mehr Investitionen in den Hitzeschutz der Gebäude. Ebenso nahmen die Klinikeinweisungen dehydrierter Menschen deutlich zu, betroffen waren vor allem Säuglinge, Kleinkinder und Menschen ab 75. In NRW gab es im Rekordsommer 2018 mit 1.064 Einweisungen je 100.000 Versicherte die bundesweit meisten Fälle von gefährlichem Flüssigkeitsmangel, der stationär behandelt werden musste.
Um bundesweit 36 Prozent gestiegen sind im vergangenen Jahrzehnt, dem wärmsten seit Aufzeichnung der Wetterdaten, die durch Zecken übertragenen Borreliose-Fälle, um rund zwölf Prozent die behandelten Heuschnupfen. Für beides machen Mediziner die Erderwärmung verantwortlich. Für Pollenallergiker wachse mit der Pollenmenge zudem die Gefahr, ein Asthma zu entwickeln, sagte der Gesundheitsökonom und Dermatologe Matthias Augustin vom Uniklinikum Hamburg Eppendorf der WAZ. Er bringt auch den drastischen Anstieg an Hautkrebserkrankungen mit dem Klimawandel in Verbindung und prognostiziert eine weitere Zunahme, weil die Menschen mehr Zeit leicht bekleidet im Freien verbringen werden. "Wenn sich ein Volk auszieht und rausgeht, bleibt das nicht ohne Folgen: Dann wird sich mehr weißer und schwarzer Hautkrebs bilden", sagte Augustin.
Die Zahl der stationär und ambulant behandelten Hautkrebsfälle ist den BKK-Daten zufolge binnen zehn Jahren um 74 Prozent auf 6.730 Patienten je 100.000 Versicherten gestiegen, der BKK Landesverband spricht von einer neuen Volkskrankheit. "Die schleichenden Auswirkungen des Anstiegs der Durchschnittstemperaturen blieben bisher oft außerhalb der Wahrnehmung", sagte BKK-Landesverbandschef Dirk Janssen. Die Studie zeige, "dass klimasensible Erkrankungen in den letzten zehn Jahren hier und jetzt in Deutschland teilweise drastisch angestiegen sind". Der Klinikarzt und Gesundheitsökonom Augustin fordert zudem mehr Prävention bei den klimasensiblen Krankheiten: "Klimafolgen-Prävention muss wieder zum Überlebensprinzip werden - so wie vor 200 Jahren, als man im Norden angefangen hat, Deiche zu bauen."
Foto: Krankenhaus (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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