Berlin - Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrii Melnyk, hat vor einer Unterschätzung der aktuellen russischen Truppenaktivitäten an der Grenze zur Ukraine gewarnt und ein deutliches Signal von Bundeskanzlerin Angela Merkel an den russischen Präsidenten gefordert. "Es geht um konkrete Kriegsvorbereitungen und eine sehr ernste Gefahr eines neuen militärischen Angriffs auf die Ukraine", sagte Melnyk dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagausgaben).
Um einen schrecklichen Flächenbrand in Europa noch zu verhindern, sei dringend "eine megastarke Warnung" nach Moskau von Bundeskanzlerin Angela Merkel "höchstpersönlich und des Bundestages" nötig, so der Botschafter. Für den Fall, dass Russland seine Aggression in der Ukraine ausweite, forderte Melnyk "schmerzhafte Konsequenzen": internationaler Boykott und Isolierung Russlands, Ächtung seiner Staatsführung, neue verschärfte Sanktionen, voller Abbruch wirtschaftlicher Beziehungen, komplettes Embargo für Gas-, Öl- und Kohleimporte, endgültiges Verbot der Nord-Stream-2-Pipeline, Einfrieren russischen Staatseigentums. Die Ukraine erwarte von der Bundesregierung, dass das Versprechen des Bukarester NATO-Gipfels von 2008 "endlich eingelöst und die Ukraine schnellstmöglich in die Allianz aufgenommen wird". Zudem sollte Deutschland als "weltweit viertgrößter Waffenexporteur alle Ausreden ablegen und der Ukraine endlich unter die Arme greifen, um ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken und die Streitkräfte zu modernisieren", forderte Melnyk. Auch deutsche Außenpolitiker reagierten besorgt auf die Truppenverlegungen Russlands an die Grenze der Ukraine reagiert und warnten vor einer erneuten Eskalation des Konfliktes. "Die Situation ist höchst alarmierend und das militärische Säbelrasseln Putins hochgefährlich", sagte Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, dem RND. "Damit erhalten die vom Kreml dirigierten Separatisten im Donbass zusätzlich Rückendeckung, sich nicht an das Minsker Abkommen zu halten", warnte Hardt. Putin müsse wissen, dass "die transatlantischen Partner fest an der Seite der Ukraine stehen". Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte, der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine gefährde die Waffenruhe im Donbass. "Durch Desinformationskampagnen in den sozialen Medien erhöht sich die Gefahr von gefährlichen Missverständnissen", sagte Schmid dem RND. "Umso wichtiger sind jetzt Transparenz und ein ungehinderter Zugang von OSZE-Beobachtern", so der Sozialdemokrat. Deutschland habe gemeinsam mit Frankreich angeboten, im Normandie-Format bei Schritten zur Deeskalation zu unterstützen. Auch die ukrainische Seite sollte sich nicht zu unüberlegten Schritten hinreißen lassen, forderte Schmid: "Wir appellieren an beide Seiten, sich mit militärischen Aktivitäten zurückzuhalten und den Weg der Diplomatie fortzusetzen." Alexander Graf Lambsdorff, Außenpolitiker der FDP im Bundestag, kritisierte den deutschen Außenminister Heiko Maas (SPD): "Anstatt wie Maas beide Seiten zur Beruhigung der Lage aufzurufen, wäre es wichtig, dass Deutschland, Frankreich und die EU dem US-Präsidenten Joe Biden folgen und sich gemeinsam mit den USA sehr deutlich an die Seite der Ukraine stellen", sagte Lambsdorff dem RND. Die westlichen Partner müssten sich in den kommenden Tagen eng abstimmen und Präsident Putin glaubhaft deutlich machen, dass ein erneutes russisches Eingreifen in der Ukraine umfassende Sanktionen zur Folge hätte. "Die Bundesregierung sollte ihrerseits erklären, dass dies das endgültige Aus für Nord Stream 2 bedeuten würde", forderte der Liberale. Manuel Sarrazin, Osteuropaexperte der Grünen im Bundestag, sagte, der Kreml wolle in der Ostukraine mit einer "kalkulierten Eskalation" Politik machen. Wieder einmal zeige sich, dass Putin jederzeit bereit sei, den Waffenstillstand an der Kontaktlinie zu verletzen, wenn dieser nicht mit internationalem Druck dauerhaft gestützt werde. In dieser Situation an beide Seiten gleichermaßen zur Deeskalation zu appellieren, wie es die Bundesregierung tue, sei fast schon zynisch, sagte Sarrazin: "Dem Kreml muss klar gesagt werden, dass ein Angriff mit weiteren Sanktionen - nicht nur gegen Personen - beantwortet werden würde."
Eine klare Sprache der Bundesregierung sei wichtiger denn je. Gregor Gysi, Außenpolitiker der Linken im Bundestag, sagte dem RND: "In der gesamten Politik wird viel zu sehr militärisch und viel zu wenig diplomatisch gedacht." Die Truppenbewegungen innerhalb Russlands seien möglicherweise ein Ausdruck dafür. "Die Truppenverlegungen der NATO in Richtung Russland ebenso."
Foto: Angela Merkel und Wladimir Putin (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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