Berlin - Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat vor übertriebenen Erwartungen an die UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow gewarnt. "Es wäre ein Fehler, von Weltklimakonferenzen die spontane Weltrettung zu erwarten - dafür ist die Herausforderung zu komplex", sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben).
"Klimakonferenzen funktionieren nicht nach dem Prinzip Alles oder Nichts." Das sei ein "Langstreckenlauf", bei dem jede Etappe ihre Bedeutung habe. "Glasgow wird nicht Paris 2.0", so Schulze. In der französischen Hauptstadt sei 2015 ein Abkommen gefasst worden, dessen Regeln nun in Glasgow vervollständigt werden müssten.
"Deutschland hat die Klimaneutralität bis 2045 in einem Gesetz festgeschrieben, die EU will mit ihrem Gesetz 2050 klimaneutral sein", sagte die Ministerin. "Solche Zusagen wünsche ich mir von anderen Staaten. Jetzt ist mehr Verbindlichkeit gefragt." Sie forderte die Klimabewegung auf, trotz aller berechtigter Kritik auch die Fortschritte beim Klimaschutz wahrzunehmen.
"Mir ist das in den vergangenen Jahren auch oft nicht schnell genug gegangen", sagte die SPD-Politikerin dem RND. "Aber ich warne davor, bei der Kritik an der Klimaschutz-Politik zu sehr zu verallgemeinern." Fortschritte seien möglich und fänden statt, sagte sie. Der Klimaschutz genieße mittlerweile weltweit höchste Priorität. Auch in den Koalitionsverhandlungen spiele das Thema die zentrale Rolle.
Schulze: "Das ist im Vergleich zu früheren Regierungsbildungen ein Riesenschritt nach vorn und hat im Übrigen auch etwas mit dem Engagement der Klimabewegung zu tun." Sie fügte hinzu: "Diese Endzeit-Debatte, wonach die Welt unterginge, wenn wir uns jetzt nicht alle sofort in unser stilles Kämmerlein begeben, uns nicht mehr bewegen und nichts mehr essen - ich übertreibe hier mal absichtlich - führt nicht zum Ziel. Natürlich ist es besser für Umwelt, Klima und übrigens auch Gesundheit, wenn wir in Deutschland zum Beispiel weniger Fleisch essen. Aber man sollte nicht glauben, dass damit die Klimakrise gelöst wäre."
Schulze sagte, die Größe der Herausforderungen beim Klimaschutz erforderten Lösungen im globalen Maßstab. "Deutschland kann am meisten bewegen, wenn es zeigt, wie Klimaschutz, Mobilität und Wohlstand zusammengehen. Also nicht das Fliegen vollständig abschaffen, sondern es CO2-neutral machen." Die Bürger wollten mehr Klimaschutz, so die Ministerin.
"Die Akzeptanz ist dann hoch, wenn Klimaschutz fair und solidarisch läuft." Dafür müsse der Weg klar sein. "Sprit darf eben nicht einfach nur teurer werden, es müssen Alternativen zum Verbrenner-Pkw her: bezahlbare E-Autos, eine verlässliche Ladesäulen-Infrastruktur, ein besserer ÖPNV und mehr sichere Radwege. Und diese Klarheit brauchen wir in allen Bereichen des Lebens. Dann reden wir nur noch übers `Wie`, nicht aber über das `Ob`."
Der scheidende Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warnte hingegen vor dramatischen Folgen des Klimawandels. "Wenn wir jetzt weltweit nicht entschieden handeln, steuert die Erde auf eine Erwärmung von 2,7 Grad zu", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben). "Die Folgen wären dramatisch, vor allem für die ärmsten und verwundbarsten Länder. Und würden dazu führen, dass es zu massiven Flüchtlingsströmen kommt." Afrika werde von riesigen Überschwemmungen und langen Hitzeperioden getroffen, mahnte Müller. "In den am härtesten betroffenen Ländern sterben erst die Pflanzen, dann das Vieh und dann die Menschen." Bereits heute hätten durch den Klimawandel Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage verloren.
"Wir müssen konsequent global gegengesteuern", so Müller, "damit daraus nicht hunderte Millionen in den nächsten Jahren werden".
Foto: Windräder (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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