Berlin - Der Chef des "Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte", Marcus Grotian, hat den Umgang deutscher Behörden mit den bisherigen Helfern der Bundeswehr in Afghanistan, die nach dem Abzug westlicher Truppen in zunehmender Lebensgefahr schweben, kritisiert. "Es ist furchtbar, was hier passiert", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Mittwochausgaben).

"Ich kann das moralische Versagen, das ich hier wahrnehme, nicht in Worte fassen." Ganz viele Rädchen drehten sich. "Doch sie greifen nicht ineinander." Er ist Oberleutnant der Bundeswehr und war 2011 selbst in Afghanistan stationiert. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums haben 446 Ortskräfte samt ihrer Familienangehörigen noch vor Abzug der letzten Soldaten in der vorigen Woche ihre Visa erhalten. Insgesamt sind 23 Afghanen mit Linienmaschinen aus Masar-i-Scharif ausgereist. In den kommenden Tagen würden rund 30 weitere Personen erwartet, die als gefährdet gelten, heißt es. Laut Grotian stehen aber noch 350 Betroffene ohne gültige Ausreisepapiere da. Und auch vor denjenigen, die Papiere hätten, türmten sich hohe Hürden auf. So würden sie von der Bundesregierung an die Internationale Organisation für Migration (IOM) der Vereinten Nationen verwiesen, die kein Büro am letzten größeren Stützpunkt der Bundeswehr in Masar-i-Sharif, sondern lediglich eines in der Hauptstadt Kabul unterhalte. Zudem müssten die Ortskräfte "die Reisekosten für die gesamte Kernfamilie tragen und die Reise in Eigenregie organisieren". Ferner gebe es "keine Planung" für die hier Ankommenden. Und schließlich bekämen die Ortskräfte trotz ihrer allgemein anerkannten akuten Gefährdung auf deutschem Boden keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, sondern nur einen Aufenthaltstitel für drei Jahre, der später um jeweils zwölf Monate verlängert werden könne, aber nicht müsse. Grundlage ist Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes. Eine "Nachsorgepflicht gegenüber Ortskräften" existiert nach Angaben der Bundesregierung nicht.

Foto: Afghanistan (über dts Nachrichtenagentur)

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