Karlsruhe - Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, hält mehr Freiheiten für Geimpfte dann für geboten, wenn diese nicht mehr ansteckend sind. "Für die Beurteilung der grundrechtlichen Auswirkungen der Impfungen ist voraussichtlich von Relevanz, ob eine Impfung nur vor eigener Erkrankung oder zuverlässig auch vor der Weitergabe des Virus an Dritte schützt", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben).

"Wenn ein geimpfter Mensch niemanden anstecken kann, dürfte das von ihm ausgehende Infektionsrisiko grundrechtlich anders zu beurteilen sein als wenn er noch ansteckend ist, nur selbst nicht mehr erkranken kann." Ob Geimpfte das Virus noch weitergeben können, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Es gehe nicht um die Rückgabe von Grundrechten, so der Verfassungsrichter. "Jeder besitzt die im Grundgesetz verbürgten Grundrechte - in der Pandemie ebenso wie vor der Pandemie und nach der Pandemie."

Verschiedene Grundrechte wie etwa die Versammlungsfreiheit, das Recht auf Schulbesuch, die Berufsfreiheit oder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit kollidierten aber in der Pandemie "in einer Weise, wie wir dies zuvor nicht kannten". Es gehe darum, die betroffenen Grundrechte in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Zugleich äußerte Harbarth die Erwartung, dass die Festlegung der Impfreihenfolge per Ministerverordnung ein Fall für das Bundesverfassungsgericht wird. "Wir erleben, dass Impfstoffe knapp sind und sich von Woche zu Woche neue wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben. Das erfordert Flexibilität", sagte er.

"Aber natürlich gilt auch hier der Satz, dass wesentliche Entscheidungen vom Parlament getroffen werden müssen." Ob in diesem Zusammenspiel der richtige Weg gefunden wurde, müssten letztlich die Gerichte entscheiden. Harbarth bekräftigte: "Diese Frage wird nach meiner Einschätzung noch viele Gerichte und auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen."

Foto: Männer mit Maske in einer U-Bahn (über dts Nachrichtenagentur)

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