Berlin - Hunderte Polizisten sind am Mittwochmorgen bundesweit gegen die militante Neonazi-Szene vorgegangen. Die Aktion richte sich vor allem gegen mutmaßliche Mitglieder der sogenannten "Atomwaffen Division" (AWD) und einer verwandten Teilgruppierung, berichtet der "Spiegel".

Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) durchsuchten demnach im Auftrag des Generalbundesanwalts die Wohnungen von 50 Beschuldigten in elf Bundesländern. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft teilte auf Anfrage des Nachrichtenmagazins mit, es seien vier Männer aus Thüringen festgenommen worden. In insgesamt fünf Ermittlungsverfahren werfen die Fahnder dem Neonazi-Netzwerk die versuchte Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Gegen einen Teil der Beschuldigten wird wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ermittelt.

Einen weiteren Teil verdächtigen die Behörden, einen Neonazi-Verein trotz Verbots weiterbetrieben zu haben. Unter den Tatverdächtigen ist nach Informationen des "Spiegels" ein aktiver Soldat der Bundeswehr im Rang eines Unteroffiziers. Die "Atomwaffen Division" hat ihren Ursprung in den USA und wurde dort 2015 gegründet. Inzwischen werfen US-Behörden AWD-Anhängern fünf Morde vor.

2018 etablierten Rechtsextremisten einen AWD-Ableger in Deutschland. Ein Jahr später beauftragte der Generalbundesanwalt das BKA mit Ermittlungen. Bereits im Frühjahr 2020 nahm die bayerische Polizei einen 22 Jahre alten Elektroniker wegen Terrorverdachts fest. Wie das Landgericht Nürnberg später entschied, hatte der Neonazi einen Anschlag auf eine "Andachtsstätte", mutmaßlich eine Moschee, mittels eines Sturmgewehrs geplant.

Die jahrelang geheimen Ermittlungen der BKA-Soko "Kern" führte zur Enttarnung einer Vielzahl mutmaßlicher Mitglieder und Anhänger der "Atomwaffen Division". Einer der Tatverdächtigen ist ein ehemaliger Offiziersanwärter. Nach Informationen des "Spiegels" diente dieser unter anderem bei der Panzertruppe im niedersächsischen Munster. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) beobachtete den Soldaten, konnte aber nicht verhindern, dass er Zugriff auf Waffen und Munition hatte.

Das Verfahren legte zudem mutmaßliche Querverbindungen des AWD-Milieus zur etablierten Neonazi-Szene offen. Laut "Spiegel" ist unter den Beschuldigten des Generalbundesanwalts ein Thüringer Neonazi, der einer rechtsextremen Kampfsportgruppe angehört, die für Attacken auf Linke und Polizisten verantwortlich gemacht wird. Im Laufe seiner Ermittlungen stufte der Generalbundesanwalt die Gruppe als kriminelle Vereinigung ein. Am Mittwoch wurden vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe festgenommen.

Ebenfalls beschuldigt im Verfahren der Soko "Kern" sind mehrere Rädelsführer der bereits vor zwei Jahren verbotenen Vereinigung "Combat 18". Sie gilt als militanter Flügel des verbotenen Neonazi-Netzwerks "Blood&Honour".

Foto: Festnahme mit Handschellen (über dts Nachrichtenagentur)

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