Berlin - Der langjährige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber und der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Peter Dabrock warnen vor einer Normalisierung professioneller Suizidassistenz. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montagsausgabe) warnten sie vor der Tendenz, dass der Tod von eigener Hand zu einer Normalform des Sterbens werden könnte.

Vor zwei Wochen hatten drei andere namhafte evangelische Theologen in der FAZ dafür geworben, dass in kirchlich-diakonischen Einrichtungen "auf sichere und nicht qualvolle Weise" Suizid begangen werden könne. Huber und Dabrock argumentieren hingegen, der Respekt vor der Würde jedes Menschen und der Achtung seines Lebens gebiete es, "Menschen, soweit das in der gegebenen Situation möglich und angemessen ist, vor dem Schritt in die Selbsttötung zu bewahren - mitmenschlich, durch gute Pflege, seelsorglich und medizinisch". Nach Worten der beiden prominenten Ethiker sind vor allem die herausgehobenen Vertrauensberufe in Seelsorge und Medizin durch diese Anwaltschaft für das Leben geprägt. "Zu ihr gehört in diesen Berufen ebenso wie in der Pflege die Begleitung im Sterben, aber nicht die Herbeiführung des Todes", so Huber und Dabrock.

Daher könne die Forderung der Theologen Reiner Anselm, Isolde Karle und Ulrich Lilie niemandem gleichgültig sein, dem an der öffentlichen Präsenz des Christentums gelegen sei. Aus Einzelfällen eines freiverantwortlichen Suizids eine Regel ableiten zu wollen, missachtet in den Augen von Huber und Dabrock das für das Zusammenleben zentrale, rechtlich und ethisch etablierte Folgeverhältnis von Regel und Ausnahme. "Für die Ausnahme mag es im Einzelfall nachvollziehbare Gründe geben", so die Ethiker. Diese sollten jedoch mit der Regel nicht auf eine Stufe gestellt werden.

Diese Einsichten verlören durch das Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei allem Respekt vor dessen Rechtskraft nicht an Bedeutung. Die Theologen verschließen ihre Augen nicht davor, dass das Gericht vom Gesetzgeber entsprechendes Handeln in Form eines Schutzkonzeptes verlangt. Dies könne aber nicht damit einhergehen, dass freie Träger dazu genötigt würden, mit organisierter Regelmäßigkeit im Feld der Suizidassistenz tätig zu werden. "Die nach wie vor bestehenden Handlungsspielräume diesseits der Suizidassistenz sollten deshalb gerade von kirchlichen Häusern genutzt werden", schreiben Huber und Dabrock.

Sie reagierten mit ihrem Beitrag auf ein Votum zugunsten einer professionellen Suizidassistenz in kirchlich-diakonischen Einrichtungen, welches unter anderem vom Präsidenten der Diakonie, Lilie, formuliert worden war und von dem hannoverschen Landesbischof Ralf Meister unterstützt wird. Im Blick auf Meister gaben die beiden Ethiker zu bedenken, dieser habe erst vor wenigen Wochen die Ansicht vertreten, ohne starke Ökumene werde die Stimme des Christentums in gesellschaftlichen Fragen signifikant schwächer werden. Nun habe Meister mit der Beteiligung "an einem in ökumenischer Hinsicht bemerkenswert unsensiblen Vorstoß zur Suizidassistenz" seinem eigenen Ratschlag den Rücken gekehrt. Repräsentanten der katholischen Kirche haben sich zu dem Vorstoß von evangelischer Seite bislang kaum vernehmbar geäußert.

Am Montag und Dienstag wollen die 27 Diözesanbischöfe über eine gemeinsame Stellungnahme beraten.

Foto: Krankenhausflur (über dts Nachrichtenagentur)

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