Berlin - Ohne gezielte Zuwanderung und ein höheres Rentenalter steht die deutsche Wirtschaft schon in wenigen Jahren vor einem dramatischen Fachkräftemangel. Im schlimmsten Fall verlieren die Unternehmen bis 2040 jede achte Fachkraft, ist das Ergebnis einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben) berichten.
Darin hat das IW drei Szenarien zu den Folgen der bevorstehenden Verrentungswelle der Generation der Babyboomer aus den geburtenstarken Nachkriegsjahren aufgestellt: Arbeiten die Menschen in Deutschland nicht länger bis zur Rente und fällt die Zuwanderung gering aus, könnten der Wirtschaft dem Negativszenario zufolge gegenüber heute zwölf Prozent der Fachkräfte verloren gehen - insgesamt 4,2 Millionen Menschen. In einem nach aktuellem Stand besonders plausiblen Ausblick seien es immer noch 8,8 Prozent oder 3,1 Millionen Fachkräfte. Ungefähr gehalten werden könnte die Zahl der Fachkräfte dagegen nur unter zwei Bedingungen: Deutlich mehr Menschen über 60 müssten länger arbeiten, bevor sie in Rente gehen. Und Deutschland müsste Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. Dieses Ziel könne "voraussichtlich nur mit gezielten Weiterentwicklungen des ordnungspolitischen Rahmens zur Zuwanderung und späterem Renteneintritt erreicht werden", schreibt Studienautor Wido Geis-Thöne. Das Rentenrecht sieht der Bildungs- und Migrationsexperte des IW als "zentrales Handlungsfeld" - es kenne aber mehr Stellschrauben als nur die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt, um Menschen länger im Erwerbsleben zu halten. Ein weiteres Problem laut IW-Studie: Immer mehr junge Menschen streben eine akademische Ausbildung an. So ist die Zahl der Abiturienten in den vergangenen 40 Jahren von knapp unter 20 Prozent auf zuletzt 56,2 Prozent (2019) gestiegen. Zugleich sank der Anteil an klassischen Berufsausbildungen unter den Bildungsabschlüssen von knapp 55 Prozent auf circa 40 Prozent. Dieser Trend werde sich in den kommenden zwei Jahrzehnten in allen Szenarien fortsetzen: "Das bedeutet, dass sich die deutsche Wirtschaft nicht nur darauf einstellen muss, dass das Fachkräfteangebot insgesamt zurückgeht, sondern auch, dass es sich in den nächsten Jahren strukturell stark verändert", so Geis-Thöne.
Foto: Schutzhelme (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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