Berlin - Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) glaubt, dass der Ukraine-Krieg eine Neuausrichtung der deutschen wie der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik beschleunigen wird. "Wir Europäer sollten jedoch keine Weltmacht-Rolle anstreben, das würde uns überfordern", sagte Fischer der "Welt am Sonntag".
Der Grünen-Politiker sagte weiter: "Andererseits müssen wir für unsere Sicherheit sorgen. Wir müssen als Europäer so stark werden, dass mögliche Aggressoren es sich zweimal überlegen, ob sie es wagen unsere Sicherheit zu gefährden." Es sei zu früh, in die Details zu gehen, fügte der 73-Jährige hinzu. Noch tobe der Krieg, für den die Ukrainer einen schrecklichen Preis bezahlten.
Fischer nahm in dem Interview mit der "Welt am Sonntag" Bezug auf ein Video des israelischen Historikers Yuval Noah Harari, in dem dieser gesagt hatte, er könne es nicht mehr hören, dass Deutschland wegen des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts nichts mehr mit Krieg zu tun haben wolle. Unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges forderte Harari, Deutschland müsse jetzt ganz vorn dabei sein im Kampf für die Freiheit und Demokratie. "Harari hat recht", sagte Fischer, "es geht künftig ja auch nicht um eine Militarisierung der Außenpolitik. Es geht um unsere Verteidigungsfähigkeit. Mit `uns` meine ich nicht nur Deutschland. Wir sind in der Mitte Europas gelegen, eingebettet in unsere Bündnisse. Die Deutschen begreifen jetzt, dass unsere Sicherheit auch die Sicherheit unserer Nachbarn miteinschließt."
Fischer äußerte sich auch zu der anhaltenden Kritik an Ex-Kanzler Gerhard Schröder, dessen Regierung er von 1998 bis 2005 als Vize-Kanzler und Außenminister angehörte.
Wegen seiner engen wirtschaftlichen und persönlichen Kontakte zu Russland und Putin ist Schröder zuletzt zur Persona non grata geworden. "Was das Verhältnis zu Russland betrifft, hatte ich eine andere Position als er. Und was die Energiepolitik betrifft, hatte ich eine völlig andere Position als er", sagte Fischer. Zu Schröders jüngsten Versuchen, in Moskau im Ukraine-Krieg zu vermitteln, sagte Fischer nur: "Kein Kommentar."
Foto: Joschka Fischer (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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