Bereits im vergangenen Jahr hatte ich das Bedürfnis nach einer ersten Einordnung meiner Gedanken zur Pandemielage aus meiner Sicht. Es arbeitete schon geraume Zeit in mir. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sich das alles noch mehr zuspitzen würde. Genau das ist jedoch nun der Fall. Am kommenden Mittwoch steht nicht weniger im Bundestag zur Verhandlung, als der größte Umbau unserer Demokratie. Eine weitere Äußerung dazu ist notwendig und sie wird umfassender, da es nicht allein um die Maßnahmen geht. Es ist eine Warnung, dass wir in mindestens einen autoritären Staat abdriften, wie ich schon seit über einem Jahr ungehört warne und angesichts der bevorstehenden Änderung des Infektionsschutzgesetzes noch einmal laut und lang warnen muss. Es geht ums Ganze und erfordert eine Einbettung in den Gesamtkontext.

Twitter und die sozialen Hetzwerke

Ich war seit dem 23.3. nicht mehr in den sozialen Medien aktiv. Ich hatte schlichtweg die Faxen dicke, nachdem in einer Nachtsitzung der Osterlockdown mit einer Ruhetagsregelung am Gründonnerstag beschlossen worden war. Ich war an dem Tag das letzte Mal auf Twitter sehr aktiv. Und fassungslos.

Natürlich fragt man sich als Jurist unmittelbar nach Verkündung so eines Ruhetags, was das denn jetzt eigentlich für ein Viech ist. Und so haben wir gleich in der Früh eine Anwaltsbesprechung abgehalten wie so oft, weil man sich ja alle 2 Wochen seit einem Jahr auf neue Verordnungen einstellen muss, die kaum mehr ein Jurist nachverfolgen kann - geschweige denn ein Normalbürger, für den die Gesetze und Verordnungen ja eigentlich da sein sollen. Also fragte ich in die Runde, was denn ein Ruhetag sei und bedeute. Wolle die Kanzlerin jetzt wirklich den 1. April zum Feiertag machen und ist das ihr Ernst? Leere Blicke, Schulterzucken, lange Diskussionen, was das jetzt alles sein könnte. Da hängen ja wesentliche Fragen dran, die den Betrieb und die Mitarbeiter betreffen. Landauf landab erging es vermutlich zigtausenden Arbeitgebern genau so. Zigtausende Stunden wurden wie so oft in der Pandemie in die unproduktive Diskussion offensichtlich wenig durchdachter Regelungen gesteckt. Ein gewaltiger volks- und betriebswirtschaftlicher Schaden. Zumindest in der Bundesregierung scheint es kein unternehmerisches Denken zu geben.

Was sollte man aber auch von einer Nachtsitzung erwarten, hatte ich auf Twitter gefragt in Erinnerung an Harald Leschs Rant zum Klimapäckchen Im September 2019. Ich wurde nicht enttäuscht.

Aber dann die Krönung an von mir so aufgefasster Verhöhnung: Die SPD ist sich nicht zu schade ein share-pic in die Welt zu entlassen und einer ihrer Politiker kommentierte, er wisse gar nicht, was alle hätten, das sei doch alles so leicht zu verstehen.

Bei mir kam irgendwie etwas ganz anderes an. Was soll ich sagen, so leichtfertig gehen die Regierungsparteien mit jeglicher Kritik seit einem Jahr um und diese Kritikunfähigkeit und dieses alles verteidigende brave Stammesdenken verhindert bessere Politik. Denn wie sich zeigte, war die Halbwertszeit dieses Bildes nur kurz. Schon am Nachmittag wurde der Ruhetag vor dem Karfreitag beerdigt und offenbarte, wie selten grotesk diese Verteidigung ihrer Politik durch den SPD-Politiker war.

Das war nur ein Beispiel, wie seicht und selbstbestärkend es auf Twitter zugeht. Dabei ist das noch nicht einmal das Schlimmste im Vergleich zum Ton, der Einengung des Debattenraums, der sog. Cancel Culture, die dort fröhliche Urständ feiert. Bedenklich: Auf Twitter sind extrem viele Politiker und Meinungsmacher. Das hat auch sein Gutes, denn wo kommt man sonst so leicht ins Gespräch, wo kann man sich so gut vernetzen, wo kommt man an Inhalte, die man sonst nicht gesehen hätte und kann eigene Inhalte so reichweitenstark teilen? Auch ich habe dort Menschen kennenlernen dürfen, die ich sonst vielleicht nie kennen gelernt hätte. Ein echter Zugewinn. Die Frage ist aber: Was bringt das alles, wenn in dem Twittertrommelfeuer keiner mehr zum Denken kommt, sich alles zuspitzt und das ganze System von seiner Anlage demokratiezersetzend ist? Für mich war es eigentlich nur ein soziales Experiment, das bis Ende März andauern sollte. Ich bin 2019 überhaupt erst dazu gestoßen für die Kommunalwahl in Bayern. Nach der Wahl des Oberbürgermeisters wollte ich mich verabschieden. Dann kam Corona und es war klar, dass dies eine einmalige Chance der Beobachtung der Gesellschaft böte. Also beschloss ich, noch ein Jahr zu bleiben. Ich habe es nicht ganz geschafft. Der Osterlockdown und der Umgang mit der Thematik haben schließlich zum Twitterlockdown geführt, weil ich just in der Zeit auch eine Kolumne von Sybille Berg gelesen habe:

„Ach, und als Erinnerung an mich (und Sie): Hauen Sie ab aus den sozialen Medien, verplempern Sie ihre Lebenszeit nicht mit Hetze und Gebrüll, mit Diskussionen, die im Nichts enden. Soziale Medien taugen nur zu einem: Unsere Daten abzuziehen, und die Massen mit Quatsch beschäftigt zu halten.“

Gelesen, getan. Lest mehr Bücher für mehr Kontext. Danke kluge Frau! Später mehr dazu. Jetzt erstmal zum Grundsätzlichen.

Gesundheit

Kaum jemand in meinem Umfeld stellt die grundsätzlichen Fragen. Jedoch rührt sich seit Monaten endlich mehr in der Gesellschaft. Spätestens seit den Beschlüssen vom 5. Januar 2021 gibt es offenen Unmut in einem sehr breiten Teil der Gesellschaft. Nicht nur Sascha Lobo hat diese Politik bei Lanz als Staatsversagen bezeichnet und wurde daraufhin von Ralph Brinkhaus kritisiert, er solle doch nicht gleich den Superlativ auspacken. Also ist das alles erst der Komperativ oder wie oder was? Oder noch nicht einmal das? Was kommt denn noch?!?

Ich weiß langsam nicht mehr, ob Staatsversagen überhaupt das richtige Wort für das Handeln bzw. Unterlassen der regierenden Politiker ist. Ich weiß nicht, worum es in dieser Situation geht, aber es geht jedenfalls nicht vorrangig um Gesundheit. Ginge es um Gesundheit, müssten wir uns seit einem Jahr ganz andere Fragen stellen.

Habe ich zu Beginn der Krise noch Menschen kritisiert, die gleich alles wissen und nichts akzeptieren wollten, bis endlich geklärt sei, woran die Menschen sterben, fehlt mir nun jegliches Verständnis, dass wir das nach einem Jahr der Pandemie noch immer nicht wissen, weil es offensichtlich auch nicht gewusst werden soll. Sonst gäbe es längst tausendfache Obduktionen und große Studien mit tausenden Patientenakten, um herauszufinden, was denn im konkreten Einzelfall tatsächlich los war, um sich ein breiteres Bild über die Lage zu verschaffen. Schließlich haben wir es mit Grundrechtseinschränkungen nie gekannten Ausmaßes zu tun, die aus risikoethischer Sicht und mit der sog. Einschätzungsprärogative grundsätzlich erstmal gerechtfertigt sein können, ja ggf. sogar müssen. Aber das kann nicht ewig so gehen - vor allem dann nicht, wenn sich herauskristallisiert, dass wir die Situation weit, weit überschätzt haben. Das war spätestens Anfang Mai 2020 der Fall. Gleichwohl hat sich seither, was die Maßnahmen und die Kommunikation betrifft, nicht gerade viel geändert. Dafür könnte man ja noch Verständnis aufbringen, weil es ja viele Tote gibt und ein sehr großer Teil der mutmaßlich Corona-Toten auch Corona-Tote sind. Aber was vollkommen aus dem Blick verschwindet ist, dass in Deutschland jeden Tag 2.500 Menschen sterben und ein großer Teil dieser Toten auch verhindert werden könnte, ja müsste, weil es einen Gleichlauf gibt zur Verhinderung von Corona-Toten.

So besteht ein weitaus höheres Risiko, einen schweren COVID19-Verlauf zu haben, wenn man mehrere Vorerkrankungen mitbringt, die oftmals ernährungsbedingt sind. Dazu habe ich hier etwas geschrieben und für eine Ernährungswende plädiert, die aber nun gerade durch die aktuelle Agrarreform wohl nicht stattfinden wird, weil das vorherrschende System auf weitere 6 Jahre mit ein paar kosmetischen Reparaturen festgezimmert wird. Obwohl jetzt im Hinblick auf die planetaren Grenzen die letzte Möglichkeit wäre, gegenzusteuern.

Ebenfalls gravierend wirkt sich auf den Verlauf von Lungenkrankheiten allgemein aus, wenn die Lunge durch Luftverschmutzung vorbelastet ist. Es gehörte eigentlich zu einer guten Politik dafür zu sorgen, dass die Luft sauber bleibt. Hier in München haben wir es geschafft, nachdem wir eine Klimawahl mit einem eindeutigen Bekenntnis zu einer Verkehrswende hatten und zuvor einen Radentscheid und die Erklärung des Klimanotstands im Dezember 2019 insgesamt 5 Pop-Up-Radwege mit einer Gesamtlänge von 3 Kilometern zu bauen. Wow. Doof nur, dass die dann rechtzeitig zu Beginn der Erkältungssaison über den ganzen Winter wieder abgebaut wurden und sich eine verantwortliche Partei im Hinblick auf die Mobilitätswende ein grandioses Kommunikationsdesaster leistete. Das ist besonders deshalb so grotesk, weil es genau auf die Kommunikation ankommt und die gleichen Politiker immer ausführen, man müsse die Leute mitnehmen. Da ist es natürlich ein grandioser Weg, sie gegen die Mobilitätswende aufzubringen, wo in einer Pandemie einer Lungenkrankheit eigentlich jedem verständlich gemacht werden könnte, dass es saubere Luft braucht. Chance für Mobilitätswende und Gesundheitspolitik verpasst.

Aber vielleicht liegt das auch am fehlenden Verständnis für Gesamtzusammenhänge. Das mache ich daran fest, dass eine sehr meinungsstarke Politikerin, als endlich einer der sehr wenigen Artikel zur Bedeutung des Immunsystems nach 1 Jahr Pandemie erschien unter den entsprechenden Post der Süddeutschen Zeitung schrieb, dass sie dies für ein Unding halte und das ja schon fast esoterisch sei. Auf meine Einordnung klatschte sie mir nur kommentarlos diesen Faktenchecker-Artikel drunter (die Faktenchecker sind in der Pandemie ein Kapitel für sich). Ein Beispiel, wie man über die Rolle des Immunsystems statt öffentlich-rechtlicher Faktenchecker berichten könnte, findet sich hier.

So etwas ist durchaus geeignet, mich in den Wahnsinn zu treiben, zeigt es doch die vollkommen fehlende Bereitschaft, sich auf das wirklich Grundlegende zu besinnen und Wissen zu akzeptieren, wie unser Körper und die Natur um uns herum funktionieren, soweit wir sie verstehen und was unser Überleben bis hierhin eigentlich erst gesichert hat. Nein, die Lösung für alles soll technisch sein, hier die Impfung, obwohl wir noch nicht einmal diese Wechselwirkungen vollständig verstehen. Zudem wird vollkommen ausgeblendet, dass einem Großteil der Bevölkerung gar nichts anderes übrig bleibt als die Durchseuchung, weil einfach zu wenig und zu spät geimpft wurde - falls man das so sehen mag, dazu später mehr. Was hilft aber denen, die sich sonst auf nichts verlassen können anderes als ihr Immunsystem? Und das scheint ja bei einem Großteil prächtig zu funktionieren, wenn man sich ansieht, dass die Infektionssterblichkeit weltweit irgendwo zwischen 0,25-0,4% liegt. Ich operiere für diesen Artikel mal mit diesen Zahlen im Bewusstsein, dass es auch niedrigere Annahmen gibt. In Deutschland aber mag sie sogar deutlich höher sein, weil wir eine recht alte und gesundheitlich recht unfitte Population haben. Aber man muss doch mal akzeptieren, dass auch hier über 40% von einer Infektion gar nichts mitbekommt und bis zu 85% maximal leichte Symptome haben. Was man ebenfalls als Faktum ansehen kann, dass jüngere Menschen ein Risiko von ungefähr, 0,0%* haben, an COVID19 zu versterben, auch wenn es - wie immer - bedauerliche Einzelfälle gibt. Der überwiegende Teil der Risikogruppe befindet sich unter den sehr Alten mit ein oder mehreren Vorerkrankungen.

Warum zum Geier wird also die Rolle des Immunsystems in einer solchen Lage auch noch kleingeredet? Was hat diese mindestens 85% denn dann geschützt? Warum gibt es kein Trimmdich-Programm? Warum schickt man die Leute nicht raus an die saubere (!) Luft, die man schaffen müsste (auch im Hinblick auf die Klimakrise), warum sorgt man nicht für gesundes Essen für alle? Warum sagt man den Leuten nicht, dass sie zuversichtlich sein sollen und schafft dazu die Voraussetzungen, statt sie teils grundlos in Panik zu versetzen, einzusperren und Existenzen zu vernichten und sie damit schlaflos zurückzulassen, obwohl ausreichend erholsamer Schlaf ein weiterer Baustein für eine robuste körperliche Verfassung ist? All das passiert nicht. Es wird nicht darüber geredet und immer wenn ich selbst das gemacht habe, bekam ich Widerspruch. Oder kommentarlos Faktenfinder hingeklatscht, die sich bei der Suche nach dem, was sie finden sollten, offensichtlich verlaufen hatten. Das ist sehr bedenklich, aber verständlich, weil die im März 2020 geschürte Angst in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer nachzuwirken scheint und einen nüchternen Blick verhindert. Ich will nachfolgend mal an einigen Beispielen eine Einordnung versuchen (wer das alles kennt, einfach weiter zur nächsten Überschrift):

„Immer mehr Menschen erkranken an Diabetes, vor allem an Diabetes Typ 2. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge ist in Deutschland bei über sieben Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren bereits einmal ein Diabetes diagnostiziert worden – also bei rund 4,6 Millionen Menschen. Bei einem weiteren Anteil von zwei Prozent der Erwachsenen (1,3 Millionen) muss von einem noch unentdeckten Diabetes ausgegangen werden, heißt es weiter auf den Seiten des RKI. Nach der­zeitigem Kenntnisstand seien rund 90 Prozent aller Diabeteserkrankungen dem Typ-2-Diabetes zuzuordnen.“ (Quelle)

Folgen: Lebensbedrohliche Erkrankung, Mortalitätsrate von Personen mit Typ-2-Diabetes zwei- bis dreimal höher als die von Menschen ohne diese Stoffwechselerkrankung, vorzeitiger Tod, 2-3 Menschen pro Stunde, Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erblindung und Fußamputationen.

LongCovid? Lasst uns mal über LongSugar reden. Es geht halt nicht nur um Corona-Zahlen und die erlösende Impfung. Die wesentlichen Dinge, die uns das Überleben bis hierher ermöglicht haben, kleinzureden, ist das Gegenteil von guter Politik und Kommunikation.

"Dreckige Luft schädigt die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System. Für Deutschland schätzen die Forscher, dass jährlich knapp 200 000 Menschen vorzeitig aufgrund von Feinstaub sterben - rund 22 Prozent aller Todesfälle.“ (Quelle) Service: Das sind täglich umgerechnet rund 548 Tote.

"Vieles, was wir zu uns nehmen, ist geeignet, Krebs auszulösen oder unser Herz-Kreislaufsystem massiv zu beeinträchtigen, Haupttodesursachen in Deutschland. Nur mal um die Relationen herzustellen: In Deutschland sterben umgerechnet täglich allein an diesen beiden Ursachen 1.540 Menschen! Das ganze Jahr über. Das hört nicht auf, wenn die Erkältungssaison vorbei ist und es gibt keinen Impfstoff. Es liegt zu einem erheblichen Teil an der Ernährung. Wir essen zu viel Salz, zu viel Zucker, zu viel Fleisch und Wurst, zu viel Pestizide und andere Gifte, Zusatzstoffe, von denen wir gar nicht wissen, wie sie eine schädliche Wirkung wechselwirkend potenzieren könnten.“ (Quelle)

"Der Kampf gegen den Klimawandel könnte die Gesundheit der Weltbevölkerung stark verbessern und so langfristig Millionen Menschenleben retten...Der Studie zufolge würde ein striktes Einhalten der Klimaziele bis zum Jahr 2040 1,18 Millionen weniger frühzeitige Tode durch Luftverschmutzung bedeuten sowie 5,86 Millionen weniger durch schlechte Ernährung. Daneben würden geschätzt 1,15 Millionen weniger Menschen vorzeitig sterben, weil sie infolge unzureichender Bewegung krank werden."

Potzblitz: Stellt sich überraschend heraus, dass die Klimakrise auch eine gewaltige Gesundheitskrise ist. Aber dagegen muss man doch was tun können. Was könnten wir nur machen?

"Die Forscher nennen hier zum Beispiel städteplanerische Maßnahmen, die Autofahren unattraktiver machen und mehr Menschen dazu veranlassen, sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortzubewegen. Auch gelte es, gesunde Ernährung für alle sozialen Schichten erschwinglich und attraktiv zu machen.“ (Quelle)

Kann mir jetzt bitte noch jemand die Politik nach einem Jahr dieser Probepandemie erklären anstatt mal alles richtig und alle Probleme gleichzeitig anzugehen? Ob den Menschen klar ist, dass das erst so eine Art Probekrise ist, bei der wir nicht sonderlich gut aussehen? Es geht grad erst los…

„Menschen, die in Regionen mit einer erhöhten Schadstoffbelastung in der Luft leben, sind häufiger von Erkrankungen der Atemwege oder des Herz-Kreislaufsystems betroffen. Feinstaubpartikel, die zum Beispiel bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe frei werden, gelangen über die Lunge in den Körper und können sich dort je nach Größe unterschiedlich weit ausbreiten. (Quelle)

„Auch in anderen Studien zuvor hatte man solche „kreuzreagierenden“ Antikörper hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen nachgewiesen, die eine höhere Infektionshäufigkeit und auch ein vielfältigeres Antiköper-Repertoire als ältere Menschen haben. Da diese Immunität nicht lange anhält, wird sie eine Infektion nicht unbedingt verhindern, wohl aber die Krankheitsschwere abmildern können, mutmaßen die britischen Forscher in ihrer Studienarbeit." (Quelle)

„Wir alle starren wie gebannt auf die täglich ansteigende Zahl der Corona-bedingten Todesfälle. Sie liegt mittlerweile bei knapp 2,9 Millionen. Eine andere Pandemie macht weniger Schlagzeilen, führt aber nicht weniger häufig zum Tod: die körperliche Inaktivität. Sie begünstigt eine Vielzahl von Krankheiten, die Menschen frühzeitig sterben lassen. Nach einer neuen Schätzung von amerikanisch-kanadischen Forschern dürften 2016 weltweit knapp 4 Millionen Personen an den Folgen von Bewegungsmangel gestorben sein.“ (Quelle)

In unseren immer heißer werdenden Sommern müssen wir bereits jetzt 3.300 Hitzetote in einer Woche beklagen, mithin 471 am Tag! Wir werden uns sehr schnell an sehr viel höhere Zahlen gewöhnen müssen. Aber das ist ja nichts im Vergleich zu Corona! Oder? (Quelle)

Und nochmal Hitzetote. Und erwartete Tropenkrankheiten durch Hitze:

„Dazu komme das Risiko, dass durch Hitze neue Infektionen auftauchen könnten. Dazu gehörten zum Beispiel Tropenkrankheiten, die durch bestimmte Mückenarten übertragen werden können, wenn sie in Deutschland überleben. Selbst wenn hierzulande noch keine einheimische Dengue-Fieber-Infektion registriert worden sei, gebe es im Vergleich der Zeiträume von 1950 bis 1954 und 2014 bis 2018 eine Steigerung der klimatischen Möglichkeiten dafür von fast 120 Prozent.“ (Quelle)

Wer das alles ganz interessant findet, aber nicht mehr so viel lesen kann, für den habe ich hier zur „Entspannung“ mal was zum Hören: Risiko Luftverschmutzung - wie gefährlich ist Feinstaub?

Nochmal Luftverschmutzung als Kofaktor bei Covid-19-Sterbefällen

„15 Prozent der weltweiten Todesfälle durch das Coronavirus könnten auf die Belastung mit Feinstaub zurückzuführen sein.“

Habe ich schon erwähnt, dass wir in München zur Linderung dieses gewaltigen Risikofaktors 3 Kilometer Straße für Radfahrer zweimal bunt angemalt haben? So geht Pandemiebekämpfung und Klimanotstand (*Bizepsemoticon*).

Abschließend - wir schaffen gerade eine der größten medizinischen Errungenschaften ab:

„Es wäre übrigens viel vernünftiger, vor multiresistenten Keimen Angst zu haben als vor Terroristen…Inzwischen 700.000 Tote pro Jahr. Die Vereinten Nationen gehen weltweit von 700.000 Todesfällen pro Jahr aus…Künftig wird jeder Verwandte, Freunde oder Bekannte haben, die sterben, weil Antibiotika nicht mehr wirken.“ (Quelle)

Ich könnte noch ewig so weiter machen, aber ich denke, es ist klar, worum es geht. Corona ist ein Check, wie vernünftig wir mit unseren Lebensgrundlagen umgehen, denn durch unser Vordringen in unberührte Natur werden wir uns auf weitere sog. Zoonosen einstellen können, die uns dann wirklich gefährlich werden könnten. Corona ist auch ein Check wie wir insbesondere mit dem Gemeingut Luft umgehen. Corona ist auch ein gewaltiger Fitness-Check und wir sehen dabei nicht gut aus:

„Ein Herzinfarkt allein ist schon schlimm genug. Oder Diabetes. Oder chronische Schmerzen in den Gelenken. Aber weil das Leben nicht fair ist, sind manche Menschen gleich doppelt und dreifach gestraft. »Multimorbid« heißt das in der Fachsprache. Eine Studie zeigt jetzt: Ab 50 Jahren ist mehr als jeder dritte Deutsche von zwei oder mehreren Krankheiten gleichzeitig betroffen. Und einige dieser Übel treten besonders oft gemeinsam auf.“

Und dann gibt es Politikerinnen, die es anstoßend finden, ein starkes Immunsystem, gesunde Ernährung, Bewegung an der frischen Luft etc. zu fördern und dies teils in den Bereich der Esoterik schieben. Und dann gibt es noch viel mehr Politiker, die die Gesamtzusammenhänge leugnen und die Klimakrise noch immer nicht als eine gewaltige Gesundheitskrise verstehen wollen. Und es gibt Politiker, die nicht einmal unsere Lebensweise und deren Gefahren und Bedrohungen für uns und alle Lebewesen auf dem Planeten sehen wollen, denn es ist ja alles alternativlos. Uuuuups, ja auch so etwas.

Klar ist das Komplex. Etwas weniger komplex wäre es gewesen, im Laufe des vergangenen Jahres das Gesundheitssystem besser auszustatten. Nicht damit die Intensivplätze noch mehr aufgeblasen werden, denn da will ja eigentlich niemand hin. Aber damit diejenigen, die dort arbeiten, schwerkranke Menschen pflegen und sie sterben sehen und selbst einer hohen Virenlast ausgesetzt sind, sichere, würdige, wertschätzende Arbeitsbedingungen vorfinden. Das alles wurde nicht getan. Also erzählt nicht ständig, hier ginge es um Gesundheit.

Solidarität

Das nächste, was uns erzählt wird ist, dass es um Solidarität ginge. Ja klar, jetzt wird von den Menschen nach jahrzehntelanger, neoliberaler Ich-Optimierung auf einmal ein Umschalten auf Solidarität erwartet und gleichzeitig eine Politik betrieben, die das Gegenteil davon ist.

Arme Menschen können sich kein Auto leisten, wohnen aber an den am meisten befahrenen Straßen und sind von Luftverschmutzung in ganz besonderem Maße betroffen. Das ist ungerecht. Und tödlich (siehe oben).

Noch gravierender ist die globale Perspektive: Es ist ein unglaubliches, eigentlich durch nichts zu rechtfertigendes Privileg, einen 80kg-Körper in einer tonnenschweren Blechkiste durch die Gegend zu kutschieren und damit die Lebensgrundlagen aller zu vernichten. Insbesondere der Menschen im globalen Süden, die von der Klimakrise in erheblichem Ausmaß bereits jetzt betroffen sind.  Ein Münchner Politiker wandte sich gegen Tempo 30 in München, weil er nachts nach einem Konzert nicht mit 30 durch die Stadt schleichen wolle. Aber selbst nachts bei Tempo 30 ist es ein nahezu unvorstellbares Privileg aus Sicht derer, die in den nächsten Jahrzehnten zu hunderten Millionen, wenn nicht Milliarden, fliehen müssen und/oder sterben.

Wir sprechen über die Gesundheit und den Tod von Millionen Menschen in einer globalen Pandemie, wo vorgeblich alles getan wird, um Leben zu retten. Außer halt das derer, die im globalen Süden... Lassen wir das. Dass es nicht um die Menschen im globalen Süden geht, zeigt sich auch an den verheerenden Folgen unserer Ewigkeitslockdownpolitik, der Impfstoffvergabe nebst Patentregelungen etc. Das Gerede um Solidarität ist vorgeschoben. Ginge es um Solidarität, müssten wir ganz andere Dinge tun, um ein wirklich gutes Leben für alle zu gestalten. Jetzt wäre die Möglichkeit dazu. Stattdessen verteilen wir in gigantischem Ausmaß öffentliches Vermögen nach oben zu wenigen Reichen und noch weniger Superreichen, die gleichzeitig auch noch mehr und mehr die Spielregeln bestimmen (dazu unten mehr).

Auch innerhalb der Maßnahmen trifft es die Menschen vollkommen ungleich. Manche sind in ihrem Lebensstil und auch wirtschaftlich kaum beeinträchtigt, andere stehen vor dem Abgrund und der Vernichtung ihrer privaten und beruflichen Existenz. Die Maßnahmen und die Befürwortung derselben scheint in erster Linie aus der zuerst genannten Gruppe der wenig Betroffenen zu kommen. Ein weiteres schönes share-pic:


Klar, es geht um Bruttowertschöpfung, was sonst? Dann kann man die Zahlen kleinrechnen, weil das sahreholder-value ja noch funktioniert. Wozu machen wir das ganze Wirtschaftswachstumstamtam denn sonst? Aber am Ende geht es immer um Menschen. Und die dürften zahlenmäßig weit, weit mehr betroffen sein, als die kleingerechnete Größe, die dann aber regierunsseitig und von interessierten Kreisen gerne zu Lobby- und/oder Propagandazwecken missbraucht wird.

Warum wird das denn nicht viel mehr hinterfragt. Viele der zuvorderst von den Maßnahmen Betroffenen sind Eltern. Und vor dem Hintergrund ist es vollkommen unverständlich, dass es lange Zeit so wenig Kritik an den Maßnahmen gab. Wie die Soziologin Michaela Mahler auf ihrem Blog schreibt:

„Sowohl die Eltern als auch die Kinder haben bisher in dieser Pandemie die Hauptlast getragen. Das kollektive Kontaktbudget, das uns als Gesellschaft zur Verfügung steht, um die Inzidenzwerte nicht durch die Decke gehen zu lassen, wird entgegen aller Beteuerungen (wir erinnern uns, dass die Schulen als letztes geschlossen und als erstes wieder geöffnet werden sollten) konsequent auf Kosten der Kinder und zugunsten von Erwachsenen verteilt, die ihrem Arbeitsalltag oft uneingeschränkt nachgehen können. Das alles, um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern. Was aus den pandemiegebeutelten Biographien der Kinder wird, ist nachrangig. Berufstätige Eltern sitzen seit Monaten mit ihrem Nachwuchs zu Hause und zerreißen sich zwischen ihrem Job, der Kinderbetreuung und dem Homeschooling. Eltern haben die Lasten dieser Pandemie für alle anderen geschultert. Dass Eltern und Kinder in mancher Hinsicht eine untrennbare Einheit sind, wird gerade in der Pandemie besonders deutlich. Maßnahmen, die Eltern betreffen, haben so gut wie immer auch Auswirkungen auf die Kinder. Maßnahmen, die Kinder betreffen haben Auswirkungen auf die Eltern.“ (Quelle)

Den Kindern wird derzeit noch weit mehr aufgebürdet, ohne dass es vielleicht einen signifikanten Effekt auf die Pandemie hätte oder gar kontraproduktiv im Hinblick auf die Ausbildung von Abwehrkräften gegen alles mögliche und die Entwicklung sozialer Fähigkeiten ist. Jedenfalls gäbe es noch einen Stapel wirkungsvoller Maßnahmen, die nicht die Kleinsten und Verletzlichsten mit vollkommen ungewissen aber besorgniserregenden möglichen Folgen treffen.

Ja, es ist sehr viel die Rede von Solidarität. Aber gerade die Linken in der Gesellschaft, verhalten sich nicht gerade solidarisch und tragen ihren Teil zur Spaltung der Gesellschaft bei. Vor ein paar Tagen gab es den Aufruf des Bündnisses unteilbar. Darin heißt es:

„Wer sich „Querdenken“ anschließt, fordert eine Gesellschaft, in der die gesundheitlichen Gefahren für Millionen Menschen geleugnet werden und in der antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen an die Stelle von überprüfbaren Fakten treten; in der die demokratische Debatte durch das Recht der Stärkeren ersetzt und die Zusammenarbeit mit Faschist*innen zur Normalität wird. In einer solchen Gesellschaft wollen wir nicht leben. Viele von uns würden sie nicht überleben. Das Hinterfragen staatlicher Politik, auch der Corona-Maßnahmen, ist wichtig. Wo es notwendig ist, üben wir Kritik.“

Also ich hör nix! Seit einem Jahr. Ich hatte bereits geschrieben, dass ich überhaupt nicht verstehen kann, warum denn die Linken in der Gesellschaft nicht jetzt eine Bewegung für eine zukunftsfähige, gerechte, solidarische Gesellschaft starten, sondern dies einer Bewegung überlassen, die nicht rechts sein mag, deren Organisatoren aber mindestens rechtsoffen sind und bei denen ich auch unter den Teilnehmern noch niemanden einschreiten gesehen habe, als es Angriffe auf die freie Presse gab.

Die Sorge um die Demokratie ist berechtigt. Das Eintreten für Grundrechte ebenfalls. Das wird vollkommen verkannt. Auch als Schutz für die Schwachen. Demokratie bedeutet auch Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit. Der funktionierende Rechtsstaat ist das, was Minderheiten einen Schutz bietet. Nicht die Demokratie, in der ja gerade die Mehrheit über die Minderheit entscheidet und nicht die Grundrechte allein, die diesen Schutz - insb. als Abwehrrechte gegenüber dem Staat - gewährleisten sollen. Demokratie und Grundrechte können sich alle Länder der Welt irgendwo reinschreiben und machen das auch. Aber wo wird das gelebt? So ein Aufruf in Zeiten, in denen unsere Bundesregierung ganz offen zum Angriff auf Demokratie, Grundrechte und Rechtsstaat bläst, ist für mich vollkommen unverständlich. Wir kommen zu diesem eigentlichen Kern des Artikels noch.

Wem nützt denn diese gesellschaftliche Spaltung? Diese Frage sollten sich mal ein paar vermeintlich Progressive stellen. Es gibt kein Angebot, wie ich es seit 1 Jahr erwarte, das es Menschen ermöglicht, ohne Anschluss an rechts für eine solidarische Politik einzutreten und auf die Straße zu gehen. Es ist in dieser Situation und in dieser Form nur dumm. Ich bin im vergangenen Jahr noch mehr politisch verwahrlost, als ich es ohnehin schon war.

Einen Text zu diesem Aufruf hat Tobias Riegel in den Nachdenkseiten geschrieben, auch wenn ich anmerken muss, dass mich niemand auf eine Querdenken-Demo gebracht hat, weil ich es unerträglich finde, dass man sich gegen die im Artikel erwähnte Einflussnahme von rechts nicht verwehrt, diese teils von den Organisatoren gesucht wurde und ich nirgends gesehen habe, wie Teilnehmer den Angriffen auf Journalisten entgegen getreten sind. Das ist kein Protestformat, das in eine Zukunft führt, in die ich möchte. Insofern sehe ich durchaus Angriffe auf die Demokratie von zwei Seiten mit dem Treppenwitz der Geschichte, dass eine vorgeblich linke und solidarische Bewegung, dem autoritären Treiben der Regierung nicht nur nichts entgegensetzt, sondern den gefährlichen Weg säubert und den roten Teppich ausrollt.

Und noch ein weiterer Aspekt zur geheuchelten Solidarität. Wir beteiligen uns dabei, den Rädelsführer USA bei der Sanktionierung mehrerer Länder zu unterstützen. In einer Pandemie verwehren wir Menschen Zugang zu Medikamenten und gesunden Lebensmitteln. Ein Hoch auf die Hüter von Demokratie- und Menschenrechten. Lang lebe der Wertewesten, sterben können ja die anderen. Nur 1 aktuelles Beispiel:

Am 20.2. berichtete die Tageszeitung junge Welt über Recherchen der UN-Sonderberichterstatterin und Menschenrechtsbeauftragten Alena Douhan in Venezuela. Danach haben Sanktionen der USA und der EU gegen das Land »verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung«; sie erschwerten »den Zugang des Landes zu Nahrungsmitteln und Medikamenten«. Die humanitäre Krise in dem Land sei eine direkte Auswirkung der Sanktionen.“ (Quelle)

Ich denke, das reicht an dieser Stelle. Abschließen möchte ich diesen Punkt mit den Worten von Georg Diez, die ich teile:

„Deutlicher gesagt: Wenn Corona auch eine Chance war, Gesellschaft anders zu denken – warum hat das letztlich nicht stattgefunden? Das ist die Frage, die mich seit einem Jahr im Stummen wachsend begleitet, schon durch die Wirren der ersten Welle, als die Menschen noch nicht so müde waren und das Warten auf den Frühling bis in den Sommer dauerte, bevor sich der Herbst in seiner Sorglosigkeit entfaltete – und für mich die eigentliche Entfremdung begann.

Mit eigentlich meine ich: Ich hatte schon am Anfang der Pandemie verwundert auf viele Menschen in meiner Nähe geschaut, die weltoffen und progressiv sind, dachte ich, und dabei im Angesicht der eigenen Angst ziemlich rasch zu Reaktionen neigten, die ich zu eng fand und fast schon autoritär, teilweise im Alltag denunziatorisch, unduldsam, selbstgerecht und vor allem staatsnah, also im Einklang mit der Macht, den Maßnahmen, den Regeln.

Und es war ja richtig, diesen Regeln zu folgen, die sich aus dem Lernen und Reagieren ergaben – es war aber genauso richtig, von Anfang an darüber nachzudenken, was die Folgen der Maßnahmen sein würden, für die Armen, für die Geflüchteten, für die Frauen, für die Kinder, für die Abhängigen, für bestimmte Branchen, für den Alltag, für alles, was das Leben ausmacht. Vor allem war es richtig, fand ich immer, in Alternativen zu denken, in Szenarien jenseits des Lockdowns.

Besonders merkwürdig war, dass die Unterstützung für die handelnde Politik zunächst stieg, je mehr sie nicht mehr Herrin der Lage war – eine Art umgekehrtes Pandemie-Paradox.“

Demokratie zum Ersten

Ich war noch nie ein Fan von ungesteuerter Schwarmintelligenz. Ich mein: Der Schwarm frisst grad den Planeten auf. Find ich nicht sooo intelligent. Die Frage ist aber, was daraus folgt. Überlässt man die Demokratie ein paar wenigen - nicht einmal direkt gewählten - Vertretern der Exekutive mit all den Gefahren der Einflussnahme durch eine übermächtige Lobby? Oder sorgt man für mehr Demokratie mit allem, was das dann bedeutet. Und es wäre ein gewaltiger Aufwand, der auch nicht vor den Medien und der Bildung halt machte. All das müssten wir anders denken.

Wenn ich Kritik an der Demokratie übe, dann aus gutem Grund. Mir wird zwar dann entgegengehalten, das sei doch alles im Rahmen unserer parlamentarischen Demokratie. Aber vieles davon habe ich schlicht nicht gewählt. Seien das Demokratiezersetzungs- und Umweltzerstörungsabkommen wie TTIP oder CETA, deren Verhandlung erst nach der Wahl 2013 bekannt wurden oder diese Pandemie, die mitten in die Legislaturperiode hineinschlägt.

Wir Bürger sind nicht der Souverän auf Bundesebene, was die Gesetzgebung anbelangt. Das wird aus meiner Sicht oft verkannt. Denn souverän wäre dort das Parlament, das es aber aktuell auch nicht so ist. Wir sind der Souverän dort, wo wir Gesetzgebungsbefugnisse haben. Das ist meist in den Ländern der Fall und auf kommunaler Ebene.

Auf Bundesebene stellt sich die Frage, ob es nicht einen Volksentscheid bräuchte und sei es nur, um Entscheidungen zu korrigieren, wie etwa die Zustimmung zu CETA gegen die ein weit überwiegender Anteil der Bevölkerung ist, weil es genau in die entgegengesetzte Richtung von dem geht, was wir bräuchten und weil es ebenfalls faktisch Parlamente und auch die Judikative entmachtet. Wir haben kein Korrektiv. So etwas kann, ohne dass es Gegenstand einer Wahl ist, gegen die Mehrheit beschlossen werden. Einfach so. Trotz der größten Proteste von Hunderttausenden.

Man kann weiter die Frage stellen, ob es denn sinnvoll wäre, in einer Situation wie der aktuellen, das Volk entscheiden zu lassen. In dieser aufgeheizten Stimmung mit einer Berichterstattung und politischen Kommunikation, die nicht geeignet sind, eine gut abgewogene Entscheidung zu treffen.

Deshalb bin ich durchaus ein Freund der Idee geloster Bürgerräte, ggf. als Vorstufe für einen Volksentscheid, aber nicht notwendigerweise. Und das fordere ich seit April 2020. Warum? Nicht weil ich die Weisheit für mich gepachtet zu haben glaube, sondern gerade aus dem Gegenteil heraus. Weil ich meinen Kahnemann gelesen habe.

Weil ich weiß, was wir Menschen für schlichte Gesellen sind. Weil ich das auch für mich akzeptiert habe, auch wenn es schmerzhaft ist. Weil wir exponentielles Wachstum nicht intuitiv verstehen, wie Al Bartlett hier eindrucksvoll darstellt und für mich eingängiger als die anderen gebräuchlichen Bilder hierfür (Reiskorn auf Schachbrett, Josefspfennig).

Weil wir erst recht keine systemischen Risiken erfassen können, die global, hoch vernetzt, stochastisch und nicht linear sind. Und damit haben wir als Menschen ein Problem, wie Ortwin Renn in diesem Vortrag eindrucksvoll aufzeigt.

Ich bin daher vor Jahren zum Schluss gekommen, dass wir Menschen zwar die tollsten Dinge machen können wie etwa Roboter zum Mars zu schicken oder Bibliotheken auf fingernagelgroßen Speichern abzulegen. Aber wir haben Grenzen. Und die akzeptieren wir nicht, sondern denken, dass wir diese großen, gewaltigen Krisen, die auf uns zukommen, weiter so entscheiden und verhandeln können wie bisher. Das wird nicht funktionieren. Corona zeigt uns dies gerade eindrücklich auf. Aber statt nun weniger Demokratie zu fordern, könnte die Lösung in mehr Demokratie liegen und sollte dies aus meiner Sicht auch.

In der letzten Folge des podcasts Neue Zwanziger, den ich sehr schätze, wurden die Bürgerräte ziemlich zerrissen. Das brachte mich natürlich zum Nachdenken. Und trotzdem bleibe ich dabei: Sie wären ein großartiges Mittel gewesen, unglaublich viele Perspektiven einzuholen, wie wir sie nicht einmal in unseren Parlamenten vorfinden. Ich bin sicher, dass wir gerechtere und nicht derartig einseitige Entscheidungen bekommen hätten, die dann auch noch so breit legitimiert gewesen wären, dass es nicht diese Aufstände in der Bevölkerung gegeben hätte. Aus meiner Sicht wurde hier eine gewaltige Chance verpasst.

Abgesehen davon bin ich mir nicht sicher, wie viele Menschen überhaupt in der Lage sind, das Risiko bei Corona, gerade im Vergleich zur Klimakrise, richtig einzuschätzen. Das dürfte auch vor Mitgliedern der Parlamente und Journalisten nicht halt machen. Auch vor dem Hintergrund hätte sich ein moderierter, nicht angestgetriebener, nüchterner Prozess als Probelauf angeboten. Bei der Einschätzung des persönlichen Risikos klaffen „Wahrnehmung und Realität…besonders stark auseinander, zumindest wenn es um die Gefahr geht, dass man selbst schwer an Covid-19 erkrankt und womöglich auf der Intensivstation landet. "Das subjektiv erlebte Risiko wird massiv überschätzt. Es liegt…bis hin zu bis 38-fach bei der Altersgruppe 30-39“. (Quelle)

Das ist nicht verwunderlich nach der anfänglichen Einstimmung mit einem Panikpapier und fortgesetztem medialem und politischen Sperrfeuer. Das sollte man aber wissen, wenn man versuchen will, eine nüchterne Risikoeinschätzung zu treffen. Ich schreibe es auch an dieser Stelle gerne nochmal. Auch mich lässt das alles nicht kalt und auch ich will das Ding selbst nicht haben  oder andere anstecken und lebe vermutlich auch zurückgezogener als die Meisten. Nach diesen Ausführungen wohl noch mehr. Aber es geht um mehr als das rein virologische Geschehen. Nordrhein-Westfalen  (ja ich weiß) geht übrigens einen anderen Weg. Wenn ich mal Hendrick Streeck (ja ich weiß) zitieren dürfte:

„Letztlich weiß aus meiner Sicht noch niemand, wie es richtig geht, diese Pandemie optimal anzugehen – deshalb sollten wir umso mehr versuchen, gemeinsam auf die bestmögliche Weise durchzukommen. Ich finde es sehr schade, dass man nicht versucht, mehr Einigkeit und mehr Interdisziplinarität zu wagen. Das fehlt mir. Es kann doch eigentlich nicht sein, dass gefühlt fast ausschließlich Virologen zum Einfluss der Maßnahmen auf die Bürger gefragt werden. Da müssen viele Stimmen mit ins Boot geholt werden, aus den Bereichen Soziologie, Psychologie, Philosophie, Ethik oder Kinderheilkunde. Es gibt nicht die eine Wissenschaft, die nur eine Meinung hat. Wir haben so viele aus so vielen Disziplinen, die ihren Beitrag leisten können. Es müsste alles wesentlich breiter aufgestellt werden, um die ganze Gesellschaft abzubilden.“ (Quelle)

Ich hätte mir als Politiker die Chance nicht entgehen lassen, einen Bürgerrat einzuberufen, unterschiedlichste Perspektiven aus dem richtigen Leben mitzunehmen und mir eine breite demokratische Legitimation abzuholen. Die großen Krisen, die auf uns zukommen, kann doch kaum einer überblicken. Da braucht es alle. Ich bin überzeugt, wir wären jetzt gesellschaftlich viel weiter und hätten weniger Tote zu beklagen. Werden wir nicht mehr erfahren. Schade. Stattdessen das Gegenteil. Viele Tote und Kranke, Hass und Häme und eine gespaltene Gesellschaft.

Klar finde auch ich die Umstände und Hintergründe der Kommunikation und der Interessen sehr schwierig. Es ist ja auch nicht verwunderlich, wie dieser Pandemierat einer schwarz-gelben Landesregierung zusammengestellt ist, die Wirtschaftsentfesselungsgesetze in einer Klimakrise verabschiedet. Für einen gemeinwohlorientierten Bürgerrat käme wohl eher ein anderer Ökonom in Betracht als der IW-Direktor und INSM-Kuratoriumsmitglied Michael Hüther.

Aber sachlich und inhaltlich ist es ein Unding, wie mit Streeck (auch im Vergleich zu den Fehlern anderer) umgegangen wird. Das setzt unserer Gesellschaft massiven Schaden zu. So wie die Coronaradikalen der einen Seite nicht mehr von den krudesten Theorien zurück können, ohne das Gesicht zu verlieren, scheinen sich die Coronaradikalen der anderen Seite noch immer das Killervirus zu wünschen, das es nicht ist. Es scheint unmöglich zu sein, zuzugestehen, dass man sich bei der Gefahrenwahrnehmung noch immer um ein zigfaches überschätzt. Eine rationale Debatte scheint nach nun einem Jahr noch immer kaum möglich. Auch wenn Richtiges geäußert wird, wie obiges Zitat oder auch sinnvolle Forderungen, die wirklich Tote über den Winter hätten verhindern können. Ob das nun die Corona-Ampel ist oder Schnelltests, die seit April 2020 gefordert werden, insb. auch zum Schutz der Risikogruppen in den Altenheimen. Kekulé ging es da teilweise ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm. So können wir nicht weitermachen.

Antiaufklärerisches Listen to the Science

Ich überprüfe meine Positionen zu Corona fast täglich, weil ich in meiner Bubble mit vielem sehr alleine stehe und mir dazu auch schon Unvernunft unterstellt wurde von jemandem „vom Fach“. Wenn man so alleine steht, ist man gut beraten, sich immer wieder - so gut es geht eine Außenperspektive einnehmend - zu fragen, ob man nicht selbst der Geisterfahrer ist. Dann schaue ich mir die nackten Zahlen an und die IFR wird einfach nicht höher. Und das war es dann schon auch mit dem vom Fach.

Denn dann geht es ja noch weiter. So ein Virus trifft ja auf eine Gesellschaft und kommt nicht im luftleeren Raum vor. Also braucht es dann weitere Perspektiven, die es auch zuhauf gibt. Sie werden nur ausgeblendet. Die sog. Coronaleugner werden auf ein paar wenige, teils absolut verwirrte Akteure reduziert. Aber die Anzahl der Kritiker aus dem Bereich Psychologie, Soziologie, Virologie, Epidemiologie, Humanmedizin, Rechtswissenschaft etcetc - quer durch alle Disziplinen ist die Anzahl der Kritiker mit validen Argumenten derart groß und unübersichtlich, dass ich mich langsam frage, ob die andere Seite irgendwas außer Drosten und Lauterbach überhaupt mitbekommt.

Noch erschreckender: Mit welch teils chaotischem und wenig belastbaren Zahlenmaterial sich viele nur auf Grund von Behauptungen zufrieden geben. Ich bin da vielleicht deshalb eine Ausnahme in der ganzen Klimabubble, weil ich da auch so ziemlich der einzige Jurist bin. Für mich steht immer die Sachverhaltsermittlung am Anfang. Ich will die Dinge einfach wissen, bevor ich dann aufgrund des Sachverhalts eine Würdigung vornehme. Und als Anwalt bin ich auch ein Organ der Rechtspflege und nehme diese Funktion ernst. Das scheint mir jedoch eher so ein Juristending zu sein, wenn ich mir ansehe, mit welchen Zahlen der Großteil der Menschen sich zur massiven Demokratieeinschränkung bereit erklärt.

1 Jahr nach Auftreten der Krise, wissen wir nicht, wo sich die Leute infizieren. Wir wissen eigentlich gar nicht so genau, welches Land wie abschneidet, weil wir unterschiedliche Teststrategien (zB allein schon Anzahl der Tests - künftig noch viel mehr, ct-Werte - auch grenzwertig im Hinblick auf Inzidenzen als Grenzwert) haben, nicht nur in Europa und auf der ganzen Welt, sondern innerhalb Deutschlands. Das ist alles so trivial nicht vergleichbar. Wir wissen nicht, wie viele sich anstecken. Wir wussten bis vor Kurzem fast nichts über die Mutationen, wussten nicht, wo sie in Deutschland auftreten. Viele haben gar keine Vorstellung davon, wie viele nachgewiesene Mutationen es gibt, was ja für so Viren nicht unüblich ist. Wir wissen nicht, wie die einzelnen Maßnahmen wirken. Wir wissen nicht ausreichend, ob der Impfstoff wirkt, wie sich das die meisten wünschen. Viele wissen noch immer nicht, dass ein positiver PCR-Test nicht automatisch heißt, dass eine Erkrankung vorliegt. War in alternativen Medien seit spätestens dem Sommer ein Thema und kommt seit wenigen Wochen auch breiter an. Endlich und nachdem es anfangs noch weggewischt wurde. Wir wissen nicht, wer nach Deutschland einreist und wohin er sich überall verbreitet. Wir wissen nicht, ob sich Leute an Quarantäne-Maßnahmen halten. Quarantäne ist übrigens eines der wirksamsten Instrumente in asiatischen Ländern. Hier wird NoCovid angestrebt, ohne dass eine Nachverfolgung von Fällen durch vollkommen überforderte Gesundheitsämter oder das Einhalten von Quarantäne gewährleistet wird. Man kann einfach auch mal gesellschaftliche Realitäten anerkennen. Wir wissen nicht, ob die Heime hinreichend geprüft werden, ob sie Maßnahmen auch einhalten (was ich mit am Skandalösesten finde!). Wir wissen noch kaum, wie sich longcovid bei asymptomatisch Infizierten auswirkt und welche Größe es spielt, insbesondere im Vergleich zu anderen Vireninfektionen. Wir wissen nicht, welche Maßnahmen in unser demokratisch, rechtsstaatliches Korsett passen. Was wir aber wissen, dass unzählige Maßnahmen den Verordnungsgebern über Monate um die Ohren gehauen wurden. Und man macht lustig so weiter mit einem Verweilverbot und jetzt mit pauschalen Ausgangssperren! So könnte man ewig weitermachen. Es gibt so viele Widersprüche, dass ich mich frage, was mit den Leuten los ist, die dann listen to the science rufen. Ja welche? Klären wir jetzt endlich mal umfassend auf oder will das so genau gar niemand wissen? Lieber weiter blind drauf los? Wie kann man nur so wenig Anspruch haben, überhaupt mal die Daten zusammenzubekommen, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben? Es gibt valide Kritik an der Teststrategie und dem, was nun für kommenden Mittwoch auf dieser leicht steuerbaren Grundlage geplant ist.

Und dann gibt es Leute, die sagen, wir wüssten genug und vergleichen das mit der über Jahrzehnte erforschten Klimakrise. Mir fehlt langsam etwas das Verständnis, dass den Leuten nach einem Jahr noch immer dermaßen die Relationen verrutscht sind und sie nicht wenigstens verstehen wollen, dass es auch anderer Perspektiven bedarf. Nur verstehen. Das wäre schon was! Auch im Hinblick auf die Klimakrise. Sonst habe ich wohl berechtigte Sorge, was da aus dem eigenen Lager auf uns zukommt. An dieser Coronapolitik wird - von den Umweltfolgen (Schnelltests, Reagenzien, Masken) einmal ganz abgesehen - ein Vielfaches mehr an Menschen als wegen der Krankheit ins Elend gestürzt oder stirbt - weder an noch mit Corona. Einfach weil man nicht einmal Perspektiven zulassen und sein Handeln danach ausrichten will…

Ich halte das alles für gefährlich für Klimaaktivisten. Hoffen wir mal, dass das kein Boomerang im Hinblick auf die Klimapolitik wird...

Philanthropische Machtstrukturen

Vielleicht hat es wie so oft Bestürzung ausgelöst, dass ich oben auf Hendrik Streeck zurückgegriffen habe. Grad mit Fleiß! Der ist durch bei Twitter. Da geht nichts mehr. Er wolle schließlich, dass Menschen sterben. Er wird dort als Covidiot bezeichnet. Es kursiert der menschenverachtende hashtag #sterbenmitstreeck - ein Grund, warum ich schon öfter kurz davor war, Twitter den Rücken zu kehren. So geht zivilisierte Debatte nicht und ich merkte, wie mich das selbst immer mehr in Beschlag nahm, wie ich immer zynischer wurde und aggressiver. Auch ein weiterer lohnender Grund, mal ein paar Gänge zurückzuschalten, um nicht selbst Teil des Diskursvergiftens zu sein. Ich habe Hendrik Streeck daher bewusst ausgewählt.

Und ich erlaube mir an dieser Stelle mal auf ein paar Fehler des Helden der anderen Seite hinzuweisen, der von manchem gerne zum Gesundheitsminister gemacht würde: Karl Lauterbach, der nicht einmal gesundheitspolitischer Sprecher der SPD ist, noch nicht einmal im Gesundheitsausschuss sitzt, bei dem es genug Hinweise gibt, dass er auch schon andere Interessen verfolgt hat uvm. Gerade so jemanden als sozial(!)-demokratischen(!) Gesundheitsminister zu fordern zu einer Zeit, in der bei der Union die Maskenaffäre hochploppt, zeugt schon von extrem wenig Sensibilität und Gespür, was Demokratie gerade bräuchte - zumal soziale. Lauterbach sitzt übrigens im Rechtsausschuss und befürwortet gerade den wohl größten  - und mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrigen - Angriff auf unseren Verfassungsstaat. Dazu unten mehr.

Ich verstehe eines nicht: Warum wird die Lage gerade im Hinblick auf den Sommer noch immer so dramatisiert? Woher kommt die Einschätzung eines Horrorsommers, den Karl Lauterbach schon für das vergangene Jahr prognostiziert hatte, der sich aber dann nicht einstellen wollte, trotz massenhafter Superspreaderevents. Nach Ansicht Lauterbachs wäre im letzten Sommer nichts, aber auch gar nichts möglich gewesen. Wir hätten im Wesentlichen zu Hause sitzen sollen. Ein saisonaler Effekt wurde geleugnet. Panik vor der Herdenimmunität durch natürliche Immunität wurde geschürt u.a. mit „lustigen“ sharepics, die die tatsächliche Lage auf den Kopf stellten.

Mit der Grafik wird suggeriert, dass 9 von 10 Menschen beim Weg der Herdenimmunität sterben würden. Es ist aber doch gerade umgekehrt: fast 9 von 10 bekommen von Corona nichts bzw. nur recht wenig mit.

Mich wundert schon die ganze Pandemie über, dass es ehemals von mir geschätzte Blogs und Faktenchecker gibt, die zwar gerne einen Hendrik Streeck auseinandernehmen, aber sich dies bei Lauterbach sparen, der ja oft daneben liegt und auch sonst nicht ganz ununmstritten ist.

Das sollte an dieser Stelle nur der Hinweis sein, dass es immer lohnend sein kann, genau hinzusehen, welche Interessen jemand wo hat. Das gilt aber für alle. Inhaltlich hat auch Lauterbach geirrt und auch Drosten. Bei Streeck wird es minütlich aufbereitet, anderes aber ausgeblendet, beispielsweise, dass er es war, der die Angst vor einer Schmierinfektion nahm, ja überhaupt die vor einem Killervirus. Was für eine psychische Entlastung.

Genau hinsehen darf man aus meiner Sicht gerne und sollte das viel mehr bei den Verstrickungen. Welche Querverbindungen gibt es zwischen Presse, Gesundheitsministerium, Wirtschaft etc? Warum werden welche Entscheidungen getroffen? Da gibt es ja Hinweise und es wurden schon sehr unschöne Dinge aufgedeckt. Genau so wie es mit Leidenschaft bei den Maskendeals der Unionspolitiker gemacht wird. Aber das sollte doch für alle gelten, wenn wir beurteilen wollen, wer wo welche Interessen hat. Eine absolut heilige Kuh seit Beginn der Pandemie ist zB Bill Gates. Auch für Linke. Im Ernst jetzt?

Ich habe in den letzten Jahren tausende Stunden ehrenamtliches Engagement erbracht, bin aber über Jahrzehnte ausgebildeter Misanthrop. Gerade deshalb verstehe ich nicht, wie Menschen einen unglaublich mächtigen Milliardär als Philanthropen bezeichnen können. Wer es zum Multimilliardär schafft, muss ja schon mal sehr lange über sehr viele Leichen gegangen sein und tut dies vielleicht bis heute. Vor der Krise hatte Bill Gates 108 Milliarden Dollar an Vermögen. Wir wissen, dass die Pandemie die Milliardäre um unglaubliche Vermögen reicher gemacht hat und noch machen wird.

Maja Göpel schreibt in ihrem Buch „Unsere Welt neu denken“ einiges, was Kritik an über Bill Gates rechtfertigt:

  • Wie Schwierigkeiten entstehen, weil an Symptomen herumgedoktort wird, ohne sich das System selbst anzusehen.
  • Dass es kritisch ist, dass die Bill und Melinda Gates-Stiftung als mit 30 Milliarden Dollar größte Privatstiftung der Welt mehr Geld ausgeben könne als viele demokratisch gewählte Regierungen.
  • Dass es hierfür keine Kontrolle durch eine Opposition, Wähler oder Gerichte gibt
  • Dass die Stiftung selbst festlegt, wo und was sie macht.
  • Dass sie Konzernen wie Monsanto den Weg auf den afrikanischen Markt ebnet ebenso wie globalen Getreide-Großhändlern wie Cargill und welche Aktien die Stiftung an welchen Unternehmen hält.

Es gibt viel Kritik an der Stiftung und an Bill Gates. Es hat etwas von Feudalismus. Um mal einen anderen Blickwinkel zu werfen: Bill Gates führte im Jahr 2017 die Liste der globalen Vielflieger an und war wenigstens 350 Stunden in der Luft (nur aus dem, was aus den sozialen Netzwerken zu entnehmen war) und weil er dafür vornehmlich ein Privatflugzeug nutzte auf diese Weise mehr als 1.600 Tonnen Kohlendioxid ausstieß. Wenn man in Betracht zieht, dass jeder Mensch seit Anfang 2020 rechnerisch nur noch 42 Tonnen Kohlendioxid ausstoßen darf, damit sich die Erde nicht um mehr als 1,5 Grad erwärmt, muss man wissen, dass allein Bill Gates und allein durch diese Fliegerei in 1 Jahr das aufgebraucht hat, was 38 Menschen als Budget für ihr ganzes Leben zur Verfügung steht - inklusive Heizen, Mobilität, Essen…

Jetzt kommt Bill Gates mit einer technokratischen Lösung der Klimakrise ums Eck und Teile der Umweltbewegung üben deutliche Kritik. Weil sie sich denken: Echt jetzt? Miniatomkraftwerke überall sind die Lösung für die Klimakrise? Derartige Fragen zu stellen, wenn es um eine Impfung für Milliarden Menschen bei einer Krankheit mit einer IFR von rund 0,25-0,4% geht, ist aber verpönt, ja gar verschwörungstheoretisches Geraune.

Warum schränken wir uns selbst derart in unseren Debattenräumen ein, die mittlerweile eher Kämmerlein gleichen, nur weil ein paar wenige medial groß aufgeblasen hanebüchenen Unsinn über Bill Gates verzapfen. Seither ist jegliche Kritik an ihm vollkommen delegitimiert und er darf zur Besten Sendezeit in einer sogenannten Nachrichtensendung die Sendezeit fast vollständig mit seiner Weltsicht füllen.

Andere Profiteure der Krise zahlen noch immer kaum Steuern, steuern aber mehr als uns in einer Demokratie lieb sein kann, wie etwa Jeff Bezos. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele und da wird wirklich Geld „verdient“, dass einem die Ohren schlackern. Unser Geld. Steuergeld. Warum lassen wir das alles zu? Und warum lassen wir es zu, dass Kritik an diesen Machtpositionen neuerdings nicht einmal mehr von links geäußert werden darf?

Als ich einmal ein bekanntes Niemöller-Zitat abgewandelt ins Netz stellte, dauerte es keine Minute, bis ich von einer SPD-Politikerin die cancel-culture zu spüren bekam. Ich schrieb:

Als youtube die rechten Kanäle abgeschaltet hat, haben wir gejubelt. Wir waren ja keine Rechten.

Als youtube russische Kanäle abgeschaltet hat, haben wir gejubelt. Wir waren ja Teil des Imperiums.

Als youtube die Kanäle der sog. Verschwörungstheoretiker abgeschaltet hat, haben wir gejubelt. Wir waren ja „Team Wissenschaft“.

Als youtube die restlichen Kanäle abgeschaltet hat, haben wir gejubelt. Weil es so angeordnet war. Übertragen wurde es im verbliebenen Sender.

Nur eine Minute später die Reaktion, ob ich denn ein Niemöller-Zitat gerade missbrauche, um damalige Zustände mit jetzt zu vergleichen. Der Hintergrund war, dass es unfassbar grausam für die Demokratie ist, dass einzelne sehr mächtige Tech-Giganten entscheiden, wer und was gehört werden darf. Diese Zustände sind gar nicht vergleichbar. So etwas gab es schlichtweg noch nie.

Gleichwohl würde es sich lohnen, erst einmal weiter zu denken, statt sofort unverständig draufzuhauen. Wir haben alle in der Schule eine Menge gelernt, wie es im Weltkrieg und im Holocaust zuging. Wir haben uns sogar wochenlang mit einzelnen Schlachten befasst wie Stalingrad. Aber was haben wir denn gelernt darüber, wie Meinungen massenpsychologisch so gesteuert werden konnten, dass es nur ein Ziel gab? Im Netz ist der „öffentliche Raum“ längst privatisiert. In hohem Maße bestimmen Algorithmen privater Unternehmen, wem ich wie oft begegne und unter welcher Perspektive - also was ich überhaupt wahrnehmen kann. Insofern kann man kaum sagen, es gäbe keine Zensur, auch wenn es keine staatliche ist.

Das youtube-Zitat stand unter dem Eindruck, dass in letzter Zeit zahlreiche Videokanäle gesperrt wurden. Und darüber wurde gejubelt, solange es andere betraf ohne zu erkennen, was das für einen selbst bedeuten könnte. Noch einmal Sibylle Berg auf Twitter:

„ps. finde das abschalten von #KenJebsen horror. vollkommen egal ob man ihn mag oder nicht oder blöd findet. alles ausser hetze & hass muss  in einer demokratie zulässig sein, und nicht der kontrolle von plattformheinis obliegen.“

Dem mächtigsten Mann der Welt, Donald Trump, kann einfach mal sein Twitter-Account mit 75 Millionen Followern abgestellt werden. Auch hierzu nochmal Sibylle Berg.

Wer bleibt denn dauerhaft davon verschont? Eine Wissenschaftsjournalistin wird auf Twitter gesperrt, weil sie einen Text über Bill Gates twittert. Eigentlich nur folgerichtig, denn Twitter macht das, wenn Falschinformationen über Corona verbreitet werden. Oder offensichtlich, wenn Bill Gates kritisiert wird. Denn sowas machen ja nur Verschwörungstheoretiker. Das macht man nicht mal mehr als anständiger Linker heutzutage, mächtige Milliardäre mit zu viel Macht zu kritisieren. Oder profitorientierte Pharmakonzerne. Der Microsoft-Bill-Gates ein Gegner von open-source und Verteidiger intellektueller Eigentumsrechte (darum ging es in dem Artikel)? Ne, das ist Schmuddelecke. Die sind alle supi auf einmal.

Das zieht sich kreuz und quer durch. Die gesamte Länge des Artikels könnte ich nur mit solchen Beispielen füllen. Jessica Lessin auf Twitter:

„So, @elonmusk tells world that he will be on Clubhouse tonight but many reporters can’t listen because Marc Andreessen (Clubhouse’s biggest investor) blocks them. So, yeah, reallly time to think abt power powerful people have to shape narrative exactly as they want. #propaganda"

Oder drüben in der anderen Meinungsmachtbude, bei Facebook:

„Die Aus­tra­lie­r*in­nen konnten am Donnerstagmorgen keine Nachrichten über Facebook lesen. Das Netzwerk blockierte die Verlinkung zu Medienbeiträgen…Dabei wussten bereits zuvor natürlich alle, dass Facebook als privates Unternehmen diesen Schritt gehen kann. Nur war da ein blindes Vertrauen darin, dass der Konzern seine Macht schon nicht auf diese restriktive Weise nutzen würde – also nicht noch mehr, als es Facebook über seinen Algorithmus ohnehin täglich tut.“

Ich bemängle das Wegwischen jeden Nachdenkimpulses, ohne dass man einfach mal bereit ist, banale Realitäten zu beobachten, andere Perspektiven anzuerkennen, ggf. zu akzeptieren und dann entsprechend zu handeln, zumal wenn man vorgibt, als Politiker einen antifaschistischen Kampf zu führen und für das „Wehret den Anfängen“ einzutreten. Dazu unten noch mehr.

Es gibt natürlich Lobbyeinfluss auf allen Seiten oder glaubt irgendjemand, wenn so viel Geld verdient werden kann, wie in dieser Krise, gäbe es nicht genug Soziopathen, die über Leichen gingen, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben auf diesem Planeten ein paar hundert Konzerne, die fast die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung kontrollieren und die komplette Zerstörung des Planeten in Kauf nehmen - inklusive Ausrottung zigtausender Arten und hunderten Millionen menschlichen Flüchtlingen und Toten. Der großartige Fabian Scheidler im Interview und damit lass ich diesen Punkt. Klar können derartige Interessen auf verschiedenen Seiten wirken. Aber wer diese Interessen, wie sie beispielhaft für die Klimakrise im Buch „Die Klimaschmutzlobby“

zusammengefasst sind, ernsthaft bestreitet, kann in einer Diskussion kaum mehr ernst genommen werden.

Impfpflicht

Und damit kommen wir gleich zu einem sehr neuralgischen Thema. Ich positioniere mich jetzt hier mal deutlich und mache mich damit auch (noch mehr) angreifbar. Das ist mir bewusst. Der Plan, die komplette Welt gegen eine Krankheit zu impfen, die noch nicht einmal im Prozentbereich zu Toten führt ist aus meiner Sicht vollkommen irre, technokratisch und größenwahnsinnig. So, jetzt ist es raus.

Dabei bin ich überhaupt kein Impfgegner, sondern eigentlich gegen alles geimpft, was man so braucht. Erst kürzlich habe ich meine FSME-Impfung auffrischen lassen und bin sehr froh darüber. Die erste Zecke hatte ich dieses Jahr schon Ende März. Und trotzdem muss es möglich sein, über Sinn und Zweck einer massenhaften Impfung, ja gar einer möglichen mittelbaren oder unmittelbaren Impfpflicht zu sprechen. Die Diskursverweigerung nehme ich dabei aber nur von einer Seite wahr. Ein paar Punkte:

Jetzt haben wir eine Impfung, von der behauptet wird, sie wirke wunderbar, auch wenn nach der Impfung trotzdem noch alle Vorsichtsmaßnahmen aufrecht erhalten werden sollen. Jedenfalls dürfte die größte Risikogruppe zeitnah durchgeimpft sein, wodurch Tote vermieden werden. Hinzu kommt eine sehr große Zahl an Menschen mit natürlicher Immunität. Dann kommt der Sommer, die Leute gehen raus und selbst wenn wir in diesem Jahr ein diffuseres Infektionsgeschehen haben, als im vergangenen Jahr, verdampft das Virus in der Sonne, es gibt kaum eine Möglichkeit für ein Superspreaderevent und überhaupt ist eine Ansteckung im Freien extrem unwahrscheinlich, wie erst kürzlich wieder Aerosolforscher bestätigten. Warum wird eine Angst vor dem Horrorsommer geschürt? Worüber reden wir denn?

Jedenfalls nicht über das, worüber wir vielleicht (auch) reden sollten. Im Gegenteil ist die Kommunikation auf einmal eine komplett andere und teils vollkommen inkonstistent.

Sind in den letzten Monaten alle ausnahmslos an oder mit Corona gestorben, stirbt jetzt jedoch niemand an der Impfung. Ich wiederhole: Niemand. Das kann alles mögliche gewesen sein, nur nicht die Impfung. Auch nicht, wenn der Tod nur wenige Stunden oder Tage nach der Impfung eintritt. Dann heißt es, es sei das Alter gewesen und/oder Vorerkrankungen, denn es werden ja hauptsächlich die Alten geimpft. Sie sterben also nicht an der Impfung, wenn sie geimpft werden, aber sonst in jedem Fall an Corona. An nichts anderem. Auch nicht am Alter und/oder Vorerkrankungen bzw. weiteren Infektionen.

Das können manche alles so nebeneinander argumentieren, ohne dass sie die eigenen Widersprüche verrückt machen. Mehrfach so erlebt. Das ist nicht gerade geeignet, Vertrauen zu schaffen.

Das schlimmste Kommunikationsdesaster bisher waren Zulassung, Widerruf, erneute Zulassung von Astra Zeneca. Die hatten schon im Zulassungsprozess Probleme und sind auch nicht überall zugelassen. Sie waren auch nicht für Personen über 65 Jahren zugelassen, weil es dazu keine Daten gab. Jetzt ist der Impfstoff für Personen über 65 Jahren zugelassen, weil er bei denen, bei denen er zunächst zugelassen war, zu Problemen führte. Besonders grotesk dabei war die  anfängliche öffentliche Kommunikation, man solle, wenn sich Kopfschmerzen einstellen, die 10 Tage lang nicht vergehen, einen Arzt aufsuchen. Wir reden hier von Trombosen, wo bisher jeder ärztliche Rat, den ich kenne war, dass sofort (!) gehandelt werden müsste. Also sofort im Sinne von unverzüglich und nicht nach 10 Tagen. Das ist vollkommen unverständlich. Stimmung auf Twitter: Rückt sofort den Impfstoff raus.

Wohlgemerkt: Es gibt noch immer und für alle diese Impfstoffe aus Gründen erst eine bedingte Zulassung. Es bestehen Zweifel, ob wirklich alle Impfnebenwirkungen ordnungsgemäß erfasst werden - gerade angesichts einer oben beschriebenen Empfehlung. Empfohlen wurde im Rahmen der Maßnahmen immer ein Kontakttagebuch, das ich lange geführt habe, bis ich es mangels Kontakten albern fand. Aber warum wird nicht ein Impftagebuch empfohlen, wenn wir die Phase-3-Studie denn schon in der Gesamtbevölkerung durchführen, um zu sensiblisieren und Wissen zu schaffen, wo es doch immer um „die“ Wissenschaft geht? Wenn man Nebenwirkungen hat, ist das gut, denn dann wirkt die Impfung, wenn man keine hat ist das gut, denn dann ist der Impfstoff gut verträglich. Fallen diese Widersprüche, die teils wenige Sekunden nacheinander von den gleichen Leuten ausgesprochen werden, eigentlich niemandem auf? Es gibt Warnungen vor einer Escapestrategie des Virus, wenn es eben durch die Impfung nicht zu einer Immunität kommt, sondern sich das Virus begrenzt weiterentwickeln und weitergegeben werden kann. Das wäre dann - nun ja - kontraproduktiv.

Man kann ja durchaus eine objektive Risikoeinschätzung treffen. Bei Personen, die zur Risikogruppe gehören, ist es sinnvoll, eine solche vorzunehmen und sich dann ggf. für die Impfung zu entscheiden. Aber jetzt kommen wir zum Kern der Frage, die überhaupt nicht gestellt wird - ja gar nicht gestellt werden darf, denn dann ist man nach Meinung mancher charakterlich und intellektuell eher leicht Bekleideter im Lager der Impfgegner:

Warum sollen sich Menschen impfen lassen, die statistisch ein Risiko von 0,0%* haben, an der Krankheit zu sterben, wenn die Risikogruppe durch die Impfung geschützt ist und noch nicht einmal die sterile Immunität nachgewiesen ist, also weiterhin Ansteckungen möglich sind?

Das ist doch die zentrale Frage, bei der man sich überhaupt mal die Frage stellen müsste, ob man denn bei so einem Wirkstoff überhaupt von einer Impfung sprechen kann oder nicht eher von einer medikamentösen Behandlung reden müsste.

Es kommt hinzu, dass es sich bei den Impfstoffen von BioNTech, CureVac und moderna um ein neues Impfverfahren handelt, das wir noch nie im Langzeitversuch beobachten konnten und somit auch nicht abschließend beurteilen können. Das machen wir gerade erst jetzt und auch wenn die Stimmen immer wieder weggewischt werden, die aufmerken, dass wir noch gar nicht wissen können, wie sich das auf u.a. unser Immunsystem auswirkt, kann man zumindest feststellen, dass es eine hohe Wirksamkeit gegen schwere COVID19-Verläufe gibt. Zudem denke ich, spielt hier die kapitalistische Verwertungslogik mit hinein: Ein Desaster, was schwere Nebenwirkungen anbelangt, würde sich unmittelbar finanziell auswirken und das kann eigentlich kein Impfstoffhersteller wollen. Im Gegenteil wollen die auch nächstes Jahr wieder impfen und übernächstes und überübernächstes…

Es ist eigentlich so, dass ich von der mRNA-Technologie regelrecht begeistert bin, weil ich für so etwas ohnehin sehr zu begeistern bin. Da springt auch gleich der Funke über, wenn man den nobelpreisverdächtigen Entdecker Ingmar Hoerr, Gründer von CureVac, darüber reden hört.

Es ist eine unglaublich spannende Geschichte, wie die darauf gekommen sind, wie das funktioniert und gibt eine hoffnungsfrohe Perspektive, wenn uns wirklich einmal ein sehr schlimmes Virus ereilen sollte. Denn im Ergebnis geht es um Informationen mit denen ein solcher Impfstoff Ruckzuck zusammengebaut werden kann. Das ist wirklich bahnbrechend. Trotzdem war ich immer schon der Meinung, dass man behutsam mit Derartigem umgehen muss, was in von uns nicht vollständig verstandene Systeme eingreift. Aber allein diese Beobachtung ist momentan nicht möglich. Es kommt gar noch schlimmer.

Denn jetzt kommt der Impfpass ins Spiel und damit das, was es niemals geben sollte und auch die Impfpflicht rückt damit näher - und sei es nur eine mittelbare, weil sonst Jobverlust, soziale Ächtung oder Schulausschluss drohen.

Ist ein Impfpass gerechtfertigt? Warum sollen sich Menschen impfen lassen, die ein Risiko von ca. 0%* haben, ernsthaft an Corona zu erkranken, geschweige denn zu versterben? Warum sollen Freiheitsrechte erst nach solch einer Impfung gewährt werden, wenn doch die Risikogruppen geimpft sind?

Das sind die Fragen, die eigentlich gestellt werden müssten aber nicht gestellt werden dürfen, weil es einen immer größer werdenden sozialen Druck gibt. Stattdessen wird nur noch darüber geredet, welcher Impfstoff in welch ungetesteten Mix es denn sein dürfe und wie der Nachweis der Impfung technisch umgesetzt werden könne, was uns in eine gnadenlose Überwachung und social scoring führen könnte.

Überwachung

Der Ausbau der Überwachung ist eigentlich evident. Früher war die anlasslose Massentotalüberwachung eine der größten Verschwörungstheorien. Bis Edward Snowden ums Eck kam und uns darlegte, dass es eine gar gewaltige Verschwörungspraxis ist. Ich verstehe nicht, wieso sie so wenig ein Thema ist. Gestapo und Stasi wären in Dauerekstase ob der Möglichkeiten, die es heutzutage gibt.

Die älteren sagen, die Einschränkung der Freiheitsrechte zu Gunsten vermeintlicher Sicherheit gibt es seit der RAF-Zeiten. Das war vor meiner Zeit. Besonders intensiv habe ich es erlebt seit 9/11. Es gab ja nicht nur in den USA den patriot act. Es gab in Deutschland den sog. Schily-Katalog, benannt nach dem ehemaligen Innenminister Otto Schily. Diese Regelungen sind im vergangenen Jahr im Nebel der Pandemie entfristet worden, gelten also jetzt dauerhaft.

Aus diesem Grund muss man in Lagen wie der aktuellen stets höchst wachsam sein. Denn sie werden genutzt, um unpopuläre Gesetze durchzubringen und auch erst überhaupt die Bereitschaft in der Bevölkerung für die Notwendigkeit solcher Gesetze zu erzeugen. Und wenn es beim ersten Anlauf nicht klappt, kommt ein zweiter. Oder es wird irgendwann einem anderen Gesetzesentwurf in einem anderen Ressort untergejubelt. Nicht die feine demokratische Art, aber typisch für die aktuelle Art der Regierungsführung. Horst Seehofer, aus dessen Haus auch das Panikpapier kam, das die Bereitschaft zu gewaltigen Eingriffen überhaupt erst geschaffen hat, hat sein antidemokratisches Grundverständnis einmal in seiner unverblümten Art sehr süffisant zur Schau gestellt. Christian Stöcker hat zu Seehofer auch mal ein paar Perspektiven aufgeworfen.

Das alles geschieht meist scheibchenweise und unter dem Radar, so dass die einzelne Maßnahme dann nicht so schlimm erscheint angesichts einer aufgeblasenen Bedrohungslage. Und trotzdem frage ich mich die ganze Zeit über schon, warum den Menschen ihre Grundrechte so egal sind. Ich habe das gleich zu Beginn der Maßnahmen gefragt. Und es hat mich nicht losgelassen. Bei den Jüngeren habe ich es einigermaßen zu verstehen geglaubt, als ich mich an folgende Geschichte erinnerte:

Harald Welzer schrieb in seinem Buch „Selbst denken - eine Anleitung zum Widerstand“ über mentale Anpassungsstrategien von einer Studie über Fischer am Golf von Kalifornien und wie sie den Rückgang der Fischbestände einschätzen. Obwohl es aufgrund von Überfischung zu erheblichen Rückgängen in den Fischbeständen gekommen war, haben sich die Fischer weniger besorgt gezeigt, wenn sie noch jünger waren.

Im Gegensatz zu vielen älteren Kollegen kannten sie natürlich nicht die früheren Vorkommen, aber auch nicht den Artenreichtum. Nicht einmal Fischarten, die früher typisch für eine Region waren, werden von jüngeren Fischern als solche noch erkannt.

Er spricht von shifting baselines, der Veränderung der eigenen Wahrnehmung parallel zu sich verändernden Umständen, eigentlich ein evolutionärer Vorteil des Menschen, um sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Wenn sich solche Veränderungen aber sehr langsam vollziehen, kann sich dies als Nachteil erweisen.

Die Vielfalt, der Reichtum, die Möglichkeiten sind gar nicht mehr bekannt. Man lebt mit dem, was man hat und kennt. Mir fiel die Geschichte ein, als ich darüber nachgedacht hatte, warum den Menschen ihre Grundrechte so egal sind und es ist ja eigentlich kein Wunder, wenn man sie als normal erlebt und die scheibchenweise Beschneidung eigentlich kaum wahrnimmt.

Die Beschneidung der Grundrechte läuft schon die ganze Pandemie über auch neben den offensichtlich wahrgenommenen, weil spürbaren Effekten. Nur wenn aufmerksame zivilgesellschaftliche Gruppen Alarm schlagen, werden die Menschen darauf aufmerksam und zunächst einmal können dann manche Dinge noch abgewendet werden. So war für die  ursprünglich als veritable Überwachungs-App angedachte Entwicklung der Corona-Warn-App zunächst Palantir im Gespräch. Palantir!

Andere Dinge laufen vollkommen unter dem Radar. Darunter muss man beispielsweise den Zugriff auf Patientendaten sehen. Wiederum andere kommen einfach irgendwann wieder, wie der Impfpass, den es eigentlich gar nicht geben wird. Norbert Häring dazu:

"Was Spahn jetzt vorschlägt, ist ohne die von der Regierung und der EU ohnehin schon geplanten standardisierten Impfpässe nicht umzusetzen. Wie und warum Spahn schon lange an diesen Impfpass-Plänen arbeiten und trotzdem noch Ende Dezember so tun konnte, als wolle er keine Privilegien für Geimpfte, bleibt sein Geheimnis. Das Geheimnis der von Facebook bezahlten Zensoren von CORRECTIV bleibt es, wie sie noch am 21. Oktober 2020, als ich schon lange und mit großer Verbreitung (95.300 Abrufe) über die EU-Pläne für einen digitalen Impfausweis geschrieben hatte, eiskalt einen “Faktencheck” eines Steffen Kutzner bringen konnten, in dem sie so taten als seien alle Pläne für einen solchen Impfausweis beerdigt worden und alle, die das Gegenteil behaupteten, verbreiteten Fake News."

Jeder der wollte, könnte diese Salamitaktik wahrnehmen. Diese Woche ist dann endgültig Schluss mit den Scheibchen. Jetzt geht es um die ganze Wurst.

Für die CDU ist der Machterhalt das absolut oberste Ziel und keine Partei kann diesen mit ihrem Einfluss und ihren unbegrenzten teils sehr dunklen finanziellen Mitteln so gut bewerkstelligen wie die Union. In den 72 Jahren seit der Gründung der Bundesrepuplik hat sie das immerhin in 52 Jahren geschafft.

Wenn der Machterhalt nicht anders zu bewerkstelligen ist, schließe ich eine Zusammenarbeit mit AfD nicht aus. Wir haben das doch bereits in Thüringen erleben dürfen und in Thüringen gibt es ganz spezielle Kandidaten für den Bundestag, bei denen vielleicht auch eher Unbedarfte ins Grübeln kommen.

Aber auch die SPD wirkt an dieser Salamitaktik, bei der am Ende von den Grundrechten immer weniger übrig bleibt fleißig mit und damit an der Aushöhlung der Demokratie, die es dann nicht mehr braucht, wenn die Kosten für eine mögliche Repression dermaßen gesunken sind, dass sie schlicht nicht mehr nötig ist, sondern autoritär durchregiert werden kann. Ist es das, was die SPD unter antifaschistischem Kampf und „Wehret den Anfängen“ versteht? Dagegen wirkt dann so manches an Gedenktagen betroffen gepostete Selfie eher wie ein antifaschistischer Krampf.

Will man im Zweifel der AfD ein solches Instrumentarium überlassen. Das müsste immer die Begleitfrage sein, die aber nicht gestellt wird, solange man abgelenkt ist von einem Trommelfeuer an Zahlen und Nebenkriegsschauplätzen.

Wirtschaftskrise

Diese beschriebene Gefahr ist nicht so irreal wie man meinen könnte. Es geht schon fast mit Vorsatz in eine Wirtschaftskrise - nicht nur ausgelöst durch Corona, sondern eine unkreative, nichts verändern und gestalten wollende Nichtlinienpolitik von Angela Merkel und ihr so zusammengestelltes Kabinett. Viele aktuell bereits faktisch Arbeitslose wissen dank Kurzarbeitergeld noch nichts von ihrer Arbeitslosigkeit.

Es wurde nicht die Bazooka ausgepackt, jedenfalls nicht für die, die wirklich Hilfe gebraucht hätten. Für die shareholder hingegen, die es nicht bräuchten, wurde ins ganz große Arsenal gegriffen. Sonst sind die Hilfen derart bürokratisch und mit teils unerfüllbaren Voraussetzungen versehen, dass viele noch immer nichts oder nur wenig erhalten haben.

Die Insolvenzantragspflicht ist eigentlich für sehr viele wohl schon lange nicht mehr ausgesetzt, auch wenn das immer noch oft so berichtet wird. Viele Geschäftsführer aber auch Gläubiger könnten da noch eine böse Überraschung erleben. Folgen wären zivil- und strafrechtliche Haftung bzw. Rückzahlung erhaltener Gelder bis hin zur eigenen Insolvenz.

Der Satz auf Twitter, mit dem viele recht empathielos zu erkennen geben, dass sie von den Coronamaßnahmen recht wenig betroffen sind, weil sie weiter ihr Einkommen haben, gut wohnen und es vielleicht auch im Privaten mit den Maßnahmen nicht ganz so ernst nehmen lautet: „Welcher Lockdown? Wir hatten in Deutschland noch nie einen Lockdown!“ Aber auch die werden die Folgen wohl noch zu spüren bekommen

Ich habe Gegenwind bekommen, wenn ich schrieb, dass es in der Pandemie vornehmlich auch um Gefühle geht. Aber so ist es halt nun einmal, so sind wir gestrickt und es ist sehr gefährlich, starke Gefühle zu missachten. Menschen haben da ein Sensorium und wenn es ungerecht wird, werden Menschen wütend. Wir haben ein Jahr der größten Ungerechtigkeiten erlebt und wir haben dieses Jahr noch Wahlen.

Olaf Scholz meinte kürzlich, die Hälfte der Bürger in Deutschland hätte Anspruch auf Wohnraumförderung. Die Hälfte! Wir stehen erst ganz am Anfang und die Menschen haben schon in den vergangenen Jahren immer weniger die demokratische Beteiligung an Wahlen gesucht, je mehr sie sich abgehängt fühlten.

Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz habe ich mit einem SPD-Mitglied diskutiert, dem es egal war, dass die größte Gruppe bei den Wahlen die der Nichtwähler war. Danach bin ich auf diesen Artikel hingewiesen worden, nach der es zumindest eine Korrelation gab.

"Der Studie zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen der Pandemie von 1918 bis 1920 und dem Aufstieg der NSDAP zu Beginn der 1930er Jahre."

Plausibel. Bedenkenswert. Ähnlich die Bundeszentrale für politische Bildung:

„Wesentliche Voraussetzung für den Aufschwung des Faschismus (wie des Nationalsozialismus) waren die ökonomische Verelendung großer Teile der Bevölkerung und die Auflösung der traditionellen (auch politischen) Werteordnung. Faschistische Bewegungen gab es in fast allen europäischen Staaten; sie waren in verschiedenen südamerikanischen Staaten auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch von Bedeutung.“

Walter Ötsch in einem sehr klugen Artikel: „Das System ist gleichzeitig bedroht von unten, von Leuten, die nicht integriert werden. Die Rechten können nicht die Strukturmängel der Wirtschaft artikulieren, aber ein dumpfes Unbehagen instrumentalisieren. Das negative Szenario ist der autoritäre Kapitalismus mit dem Rechtspopulismus als neuer Politikform.“ (Quelle)

Noch einmal die Frage: Dient das alles, was wir machen, dem Schutz unserer Demokratie? Ist es wirklich wirksamer Selfies an Gedenktagen zu machen und eine Gegendemo gegen eine nicht überwiegend rechte Demo anstatt wirksame Politik?

Glaubt wirklich jemand, er könne nach einer derartigen Entwicklung, die durch die Politik vorangetrieben wird, noch ein Selfie machen und öffentlich posten, wenn es erst einmal gekippt ist, wie in vielen unserer Nachbarländer? Warum stellen sich Menschen nicht diese zentralen Fragen?

Medien

Man muss immer wissen, wo man sich gerade aufhält. Das war meine Schlussfolgerung nach einer sehr intensiven Aufarbeitung der Berichterstattung zum Syrienkrieg. Diese habe ich aufgenommen, nachdem mir die Berichterstattung zur Ukraine und Krim sehr einseitig vorkam. Ich nutzte also die Gelegenheit, als sich die Lage in Syrien zuspitzte. Ich habe stapelweise Bücher gelesen, Interviews gehört, Vortragsveranstaltungen besucht, täglich Zeitungen aus mehreren Ländern gelesen. Es war meine private Studie. Ich war sehr gerührt, als ich das zweite Buch einer Serie von Michael Lüders („Die den Sturm ernten“) las, der zum gleichen Ergebnis kam mit teils den gleichen Quellen.

Und der kennt sich dazu noch aus und spricht die Sprache. Ich kann das nur jedem empfehlen, gerade jetzt in Zeiten der Aufrüstung und eines möglichen Krieges mit Russland, in dem wir hier Aufmarschgebiet und vielleicht schlimmeres wären.

Meine Schlussfolgerung damals war: Man sollte sich breit informieren und natürlich auch sog. „Feindpropaganda“ mit einbeziehen, wenn es gerade darum geht, die Sichtweise der anderen zu sehen und zu verstehen. Denn Propaganda betreiben alle und auch unsere öffentlich-rechtlichen wurden zu Genüge falscher und interessengeleiteter Berichterstattung überführt. Retrospektiv muss ich sogar sagen, dass das Narrativ des sog. Mainstreams sehr gefährliche, einseitige Propaganda war. Wie gesagt, nach zigtausenden Seiten Lektüre und hunderten Stunden Berichterstattung und Vorträgen. Was da tatsächlich los war, weiß ich bis heute nicht. Es führte jedoch zur Kündigung meines Spiegelabos nach 2 Jahrzehnten.

Ich versuche, Nachrichten nicht mehr zu konsumieren, sondern ich recherchiere zu wenigen Themen, die mir wichtig vorkommen selbst. Und ich kann das jedem nur raten. Ich habe das bei Corona nun ebenso gehandhabt.

Ich weiß aber auch, dass dies für manche durchaus seltsam wirken mag, kennt man es doch nicht anders, als sich von seiner Zeitung informieren zu lassen und abends die Tagesschau anzuschauen. Und es ist auch ungleich aufwändiger, sich selbst die Fragmente zusammenzuklauben. Nur hat sich da in den letzten Jahren so viel verändert, dass man sich auf diese herkömmlichen Informationsquellen nicht allein verlassen sollte, will man nicht vollkommen desinformiert dastehen.

Was man machen sollte: Nachrichten nicht lediglich konsumieren und dafür ist allein schon das setting wesentlich, bevor man etwas liest, ansieht, anhört: Wo bin ich hier gerade? Wer schreibt das? Was sehe ich da? Ist das überprüfbar? Und wenn möglich auf Bilder verzichten. Mit Bildern sind wir Menschen sehr leicht manipulierbar. Die Bilder aus Italien bekommt doch kaum mehr einer aus dem Kopf, obwohl sich deren Bedeutung und Zustandekommen nun vollkommen anders darstellen, als in der akuten Angstsituation. Daher ist es auch gut, dass ich bei Twitter raus bin, jetzt wo Krieg geschürt wird gegen Russland. Einen echten Krieg auf Twitter brauch ich neben dem ohnehin täglichen hashtag-Krieg nicht auch noch.

Diese Art der Mediennutzung kostet natürlich Zeit, weil man vieles selbst nachrecherchieren und überprüfen muss. Es schmerzt, sich ständig selbst zu überprüfen, lässt einen nicht schlafen, lässt einen ständig zweifeln. Niemals Gewissheit haben ist nicht schön. Diese innere Zerrissenheit muss man aushalten und noch nie war sie bei mir so groß. Wer kann das schon? Wer nimmt sich diese Zeit oder kann sie sich überhaupt nehmen? Wer will das schon in unserem ohnehin schon überfordernden Alltag? Neben Familie und Beruf hat jeder nur ein begrenztes Zeit- und Aufmerksamkeitsreservoir, das täglich gefüllt wird mit teils absolut nichtssagenden Zahlen. Es gibt keine Zeit, auf anderes, wesentlicheres zu blicken - und vielleicht auch keine Bereitschaft, weil die Panikstrategie aus dem vergangenen März noch immer manifest scheint.

Warum ich das alles schreibe, bevor ich nach diesem Punkt endlich zu dem komme, warum ich das alles überhaupt schreibe. Damit es in einen Kontext eingeordnet werden kann und hoffentlich auch wird, der sonst immer untergeht oder bewusst ausgeblendet wird. Wer vieles von dem, was ich da geschrieben habe, das erste Mal liest oder nicht in diesem Gesamtzusammenhang, sollte zumindest eines machen: seine Mediennutzung überprüfen. Was wir im sogenannten Mainstream erlebt haben, war ein Trommelfeuer an Zahlen, oft ohne die nötige Einordnung. Und es war eine sehr einseitige Berichterstattung.

"An manchen Tagen drehten sich bis zu 70 Prozent der Berichte um Corona...Zum Vergleich: Der Anteil Beiträge zur Klimadebatte habe "in Spitzenzeiten kaum mehr als zehn Prozent der Gesamtberichterstattung" erreicht. Alles, was nicht mit Corona zu tun hat, wird über Monate hinweg nachrangig.“ (Quelle)

Kein Wunder, dass bei einem solchen medialen Sperrfeuer alle Relationen verrutscht sind. Bei der Bevölkerung, aber auch bei Politikern, die dem nicht mehr entkommen konnten. Wer in den letzten Monaten auch Medien herangezogen hat, die ohne Bilder auskommen, wer alternative Medien mit in seine Recherchen einbezogen hat, hat nach meiner Erfahrung einen weitaus klareren Blick.

Auch Wissenschaftsjournalisten konnten diese Lücke nicht füllen, weil sie zwar sehr viel Raum hatten, um über ein Wissenschaftsthema zu berichten, aber selten auf die Grundlagen blickten.

"Die Arbeit von Wissenschaftsjournalisten besteht darin, komplizierte Sachverhalte verständlich zu erklären. Ihre Arbeit besteht nicht darin, nach Macht, Konflikt und Interesse zu fragen...Über solche Expertenbegleitung freut sich jede Regierung.“ (Quelle)

Wie viele Artikel gab es zu Zahlen, Zahlen, Zahlen? Wie viele zur Einordnung in den Gesamtzusammenhang: Gefährlichkeit des Virus, Einfluss des Immunsystems und der Lebensweise, Folgen der Lockdownpolitik, Machtpolitik etc.? Der Film, der die Pandemie dereinst aufarbeitet, wird vielleicht „Menschen, die auf Zahlen starren“ heißen.

Ich habe meinen Bernays gelesen und meinen Chomsky und meinen Kahnemann und Bücher von Medienforschern und Soziologen und Journalisten. Ich wusste ja, wie leicht wir zu manipulieren sind und wie die Konstruktion von Wirklichkeit funktioniert. Aber so lange? Eine ganze Gesellschaft? Eine Gesellschaft, die sich selbst nüchternsten Fakten verschließt, wenn diese nicht in die eigene Gedankenwelt passen? Würde ich ja verstehen, wenn es ein Traumschloss wäre, aber warum lässt man sich freiwillig in ein Gruselkabinett sperren? Über so lange Zeit.

Wie kann es es sein, dass Klimaaktivisten diesen Unterschied nicht sehen und Gefahr laufen, dass das Follow the Science nach der Pandemie gegen sie gewendet werden kann, wenn sich herauskristallisiert, dass die massenmedial transportierten Stimmen vergleichsweise überschaubar waren im Vergleich zu der fast unüberschaubaren Gruppe aus allen möglichen Disziplinen, die die Maßnahmen gut begründet kritisiert und hinterfragt haben? Fast schon eine Umkehrung im Vergleich zur Klimadebatte. Welche Wissenschaft ist denn in der Pandemie „die“ Wissenschaft, die sich als fast unumstößlich herauskristallisiert hat?

Ich zweifle ständig. Ich überlege ständig, ob ich der Geisterfahrer in meinem Umfeld bin, was nicht unwahrscheinlich ist, wenn ich mir die gefestigten Meinungskorridore ansehe. Fast täglich muss ich mich fragen, ob ich bei der Lektüre von Texten zB in der Welt oder der NZZ nicht meinem confirmation bias aufsitze. Die groben Linien der Blätter sind bekannt und entsprechen eigentlich nicht meinem Wirtschafts- oder Menschenbild. Und gleichwohl. Ich reflektiere. Und komme oftmals zu dem Ergebnis: Ja, das ist richtig und gut begründet, was ich da gerade gelesen habe. Was ist aber dann die Schlussfolgerung daraus? Die könnte zB sein, dass es sich eben nicht um eine gefestigte Wissenschaft handelt, wie wir sie aus der Klimakrise kennen, sondern dass wir erst am Anfang dieses Prozesses stehen.

Und die eigentliche Frage, die ich damit aufwerfen will: Wie viele derer, die sich noch immer im Panikmodus befinden, überprüfen denn ihren confirmation bias, wenn sie mit ekstatischem Schauder die neuesten Inzidenzen verbreiten?

Ich habe schon mehrfach in den vergangenen Monaten angeregt, sich zumindest gedanklich darauf einzulassen, dass es alternative Sichtweisen auf das gibt, was hier vor sich geht. Selbst wenn ich das sehr behutsam machte, bestand oft nicht einmal dazu die Bereitschaft. Viele sehen das Virus immer noch als das Killervirus, das wir vor über einem Jahr befürchtet hatten, obwohl es aber spätestens nach der Heinsberg-Studie diesen Riesenschrecken verloren haben sollte. Aber die hat ja Streeck gemacht.

Ich höre mir das alles an und ich lese. Ich habe alles gehört, was viele verweigern und was teils nur schwer zu ertragen war.  Aber wenn ich nur meine Meinung bestätigt haben wollte, müsste ich mir nicht jeden Tag mehrere Stunden podcasts anhören oder Artikel lesen. Dort will ich andere Impulse, die mein Denken stimulieren. Andere Perspektiven sind dafür wichtig und wurden in den Leitmedien viel zu wenig geboten. Wenn überhaupt. Denn es kommt nicht allein darauf an, dass sie auch mal auf hinteren Seiten oder nachts um elf vorkommen. Es kommt auf die Frequenz an. Nicht das einzelne Feigenblatt formt die Meinung sondern der ganze Feigenbaum mit seinen Früchten.

Es wird Angst geschürt mit einem Trommelfeuer an Zahlen und schrecklichen Bildern und dann werden Umfragen gemacht, ob den Leuten die Maßnahmen genug sind, nachdem man sie mit dem Trommelfeuer in Trance getrommelt hat. Ja und dann antworten die doch glatt: Nein wir brauchen noch mehr Einschränkungen der Grundrechte. Oh Wunder.

Wohin hat uns das - auch die mediale Berichterstattung - geführt?

Grundrechte - Föderalismus - Rechtsstaat

Damit sind wir endlich beim Kern dieses Artikels angelangt. Es war mir wichtig, die Gesamtgemengelage zu beschreiben und aus meiner Sicht einzuordnen, wenn wir darüber reden, dass uns der größte Eingriff in unsere freiheitlich demokratische Grundordnung bevorsteht - und in welch eigentlich vergleichsweise überschaubarer Situation dieser sich ereignen soll.

Im Oktober, zu Beginn der Erkältungssaison, als absehbar war, dass die Infektionszahlen und damit auch die Todeszahlen nach oben schnellen würden, war ich entsetzt darüber, wie wenig die verantwortlichen Politiker bereit waren, Tote zu verhindern. Da hätte es weitaus mehr gebraucht als das, was gemacht wurde.

Jetzt bin ich entsetzt darüber, dass wir in einer Situation, in der täglich Hunderttausende geimpft werden, viele eine natürliche Immunität bereits erlangt haben, Schnelltests und FFP2-Masken verfügbar sind und sommerliche Temperaturen kurz bevorstehen, in denen zu erwarten ist, dass die Zahlen nach unten gehen (sofern man sie nicht hochtestet) - dass unter diesen Umständen der größte Umbau unseres Rechtsstaats in Erwägung gezogen, ja sogar breit gefordert wird. Also in einer Gefährdungssituation, die sich absehbar bald von alleine abmildern dürfte und die lange nicht mehr so gefährlich ist, wie sie noch vor einem Jahr war bzw. vielmehr erschien. Die Frage muss berechtigt sein und sie muss gestellt werden, was gefährlicher ist: Das Virus oder der Schaden für die Demokratie.

Darum geht es aktuell. In der Wahrnehmung vieler geht es jedoch wohl „nur“ darum, dass der Bund jetzt Ausgangssperren verhängen kann, weil das ja mit den Ländern alles nicht so doll klappt und es immer widerspenstige oder profilierungssüchtige Ministerpräsidenten gibt. Oder halt welche, die in einem eigentlich nicht demokratischen Gremium, das über Grundrechtseingriffe entscheidet, nicht so ganz bei der Sache sind. Jetzt will das die Kanzlerin an sich ziehen, die bisher grandiose kreative Fähigkeiten bewiesen hat, wie man die großen Krisen unserer Zeit - äh aussitzt. Oder halt mal nachts um drei einen Ruhetag für den Königsweg der Pandemiebekämpfung hält. Jetzt also die Notbremse im Bundesgesetz. Da ist das alles sicher gut aufgehoben.

Nein, meinen die eigenen Juristen des Bundestages. Oder auch Hier und hier zwei gute Artikel dazu. Wer die ganzen verlinkten Dokumente nicht lesen mag, bitte zumindest dieses Interview mit Prof. Uwe Volkmann ansehen. Darum geht es. Wir hätten es hier mit einem kompletten Ausfall der unteren Gerichte zu tun, der Verwaltungsgerichte. Bisher waren es Rechtsverordnungen der Länder, die angegriffen werden konnten, wenn auch mit Hindernissen und eher spärlich in der Entscheidung, manche sprachen von staatstragend.

Jetzt soll es nicht einmal mehr diese Pluralität des Rechtsschutzes geben, die wir aktuell (meist ohnehin nur unzureichend in Eilverfahren) haben, denn gegen ein Bundesgesetz gibt es dies so nicht. Dann würde alles vor das Bundesverfassungsgericht verlagert, das man dadurch wunderbar überlasten könnte und gleichzeitig die Vielfalt der unteren Gerichtsbarkeit aushebeln würde. Viel hat man vom Bundesverfassungsgericht ohnehin nicht gehört, das an der Spitze mit dem CDU-Mann Stephan Harbarth mitten in der Pandemie neu besetzt wurde, was ein viel zu wenig wahrgenommenes Politikum war. Der äußerte sich erst kürzlich so:

„Doch möge es Konstellationen geben, in denen ein bundesweit einheitliches Vorgehen sinnvoller sein könne als föderale Vielfalt.“ (Quelle)

Das stimmt bedenklich. Wenn das dann die Linie wäre, bliebe nur die Straße, wie Volkmann im Interview die Alternative richtig aufzeigt. Aber gut, Versammlungsverbote wurden ja auch schon sehr gern in Erwägung gezogen, Proteste in der öffentlichen Meinung diskreditiert, oder sie haben sich gleich selbst diskreditiert, indem sie rechtsoffen waren und nichts dagegen unternommen haben.

Was haben wir uns über Polen aufgeregt. Jetzt wird bei uns der komplette Rechtsstaat ausgehebelt und die Leute rufen noch: Ja, dann kann hier endlich mal durchregiert werden. Jedem Richter, jedem Juristen, ach jedem demokratischen Staatsbürger müsste es die Fußnägel aufrollen.

Ausgangssperren sind tiefe Eingriffe. Demokratie lebt auch davon, dass sich Bürger treffen, versammeln, debattieren und sich austauschen. Draußen gibt es laut Aerosolforschern auch kaum eine Ansteckung, so dass sich die Frage stellt, ob diese Eingriffe wirklich erforderlich sind. Hierzu ein Interview mit dem Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler.

Das weitere, was passiert: Kommt ein derartiges Bundesgesetz, ist die Kanzlerin endlich diese nervigen Diskussionsrunden mit den Ministerpräsidenten der Länder los. Das wird auch in ihrer Eröffnungsrede der Debatte im Bundestag sehr deutlich. Am Mittwoch wird es dann ernst, da geht es an die Fundamente unserer Demokratie, unseres Rechtsstaats, unserer Verfassung. Für die Aussprache ist 1 Stunde eingeplant.

Ich habe nach den vergangenen Monaten, in denen ich selbst mit den Mühlen des Föderalismus gehadert habe, ein gewisses Verständnis hierfür. Aber wie bereits ausgeführt, ist auch der Föderalismus ein Schutzwall gegen den Faschismus, den wir aufgrund unserer Geschichte eingeführt haben. Wir sollten sehr sorgsam mit ihm umgehen und ihn nicht unnötig beschädigen. Die Frage ist schon, welche Notwendigkeit hierfür überhaupt besteht. Man könnte es auch mal so sehen, dass wir mit den Bundesländern verschiedene Modellregionen haben, die ausprobieren, was funktioniert. Was juckt es beispielsweise Bayern, was NRW macht? Außer, es stellte sich dann im Vergleich heraus, dass die Södersche Politik bei den Zahlen schlechter abschneidet als die von Streeck beratene viel zu lasche Laschet-Politik. Das wäre dann wirklich unschön.

Es wird doch immer gesagt, das sei der demokratische Weg. Die Politiker seien doch gewählt. Ja, aber auch die in den Ländern und wie gesagt, dafür gibt es sehr gute Gründe. Und die sollte man mit berücksichtigen, wenn Maßnahmen das Wort geredet wird, die geeignet sind, diesen Schutzwall zu beschädigen, obwohl es noch ein ganzes Bündel wirksamerer Maßnahmen geben dürfte, die bisher noch nie in Erwägung gezogen wurden. Ist das abwegig? Hören wir Prof. Dr.  Alexander Thiele dazu:

„Wie auch der LTO zu entnehmen war, „bin ich keineswegs der einzige Verfassungsrechtler, der in diesen Tagen erstaunt darüber ist, wie wenig seitens der Politik auf die Argumente unseres Berufsstandes gehört wird. Das verfassungsrechtliche Argument sollte dem virologischen Argument prinzipiell ebenbürtig sein. Das ist dann nicht der Fall, wenn sich im Rahmen der Abwägung letztlich alles dem Lebensschutz unterzuordnen hat.

Auch das Grundgesetz ist vergänglich. Der verfassungsrechtliche Blick zurück mahnt, sich dieser Vergänglichkeit auch immer wieder zu vergewissern und nicht der Hybris zu unterliegen, dass die aktuelle Verfassungsordnung ohne weiteres bis in alle Ewigkeit bestehen wird. Das demokratische Ende kommt nur selten mit einem lauten Knall, sondern schleichend und leise, oftmals gekleidet in viele, für sich genommen verfassungskonforme Maßnahmen.“ (Quelle)

Was ist gefährlicher: Wenn sich Menschen zusammenschließen, um einen Angrifft auf die demokratische Verfassung, die Grundrechte, den Föderalismus etc. abzuwehren oder wenn aktiv eine Politik vorangetrieben wird, die dies und mehr torpediert? Nicht nur in Bezug auf die Pandemiepolitik.

Der eine Teil der Bevölkerung interessiert sich nicht für Solidarität und versteht Freiheitsrechte ausschließlich individuell und ist gar nicht bereit, diese im Sinne des Kollektivs zu denken. Und die meisten Menschen interessieren sich überhaupt nicht für ihre Grundrechte und deren sukzessive Verwässerung und faktische Abschaffung. Föderalismus und Rechtsstaat sind dann erst recht noch lästig und zu kompliziert. Ein autoritärer Staat scheint etwas sehr Wünschenswertes zu sein und wenn es kippt, will wieder keiner was gewusst haben. Ist dieses Mal etwas schwieriger bei dem ganzen Lärm eines gigantischen Infowars, macht aber auch nichts, weil die Geschichtsschreibung vielleicht bis dahin eh Geschichte ist, angesichts der noch bedrohlicheren und vollkommen vernachlässigten Szenarien.

Wir sehen seit langem eine Geringschätzung der Gewaltenteilung. Das merken wir nicht nur daran, wie wenig das Parlament eigentlich in eine Krise eingebunden ist, die eine ständige Befassung des Parlaments erforderte. Dort hat längst die Exekutive übernommen und möchte noch mehr.

Wir sehen es auch bei Angriffen auf die Judikative. Sei es, dass Richter als Rechte und Querdenker diffamiert werden, weil sie die Versammlungsfreiheit - eines der wichtigsten und für die Demokratie konstituierenden Grundrechte - gegen die Exekutive verteidigt haben (als Abwehrrecht, das wir Bürger gegen den Staat haben!). Nein, wir sehen dies jüngst am Beispiel der Entscheidung des Amtsgerichts Weimar. Der zuständige Richter wird eingeschüchtert, es wird mit Strafanzeige gedroht. So viel zu einem freien Richter, der für das Kindeswohl entscheidet. Was wäre bei uns im Lande wohl los, wenn sowas aus Russland bekannt würde? Aber hier macht sich ja kaum jemand die Mühe, einmal die Vogelperspektive einzunehmen und nüchtern zu betrachten, was hier passiert. Eine solch nüchterne (zugegeben bei dem medialen Trommelfeuer nicht einfach) nicht angstgetriebene Betrachtung könnte dazu führen, dass es sehr schnell gehen kann, Legislative und Judikative auszuhebeln, um durchregieren zu können. Dann auch gerne gegen Minderheiten. Ein Blick nach Polen könnte lohnen, um zu erkennen, wie schnell so etwas kippen kann. Wie weit so etwas dann kippt, sollten wir angesichts unserer Geschichte lieber nicht austesten. Und ob wir das Risiko eingehen wollen, einer rechten Regierung ein Instrumentarium an die Hand zu geben, sollten wir vielleicht auch lieber nicht ausprobieren. Man muss nicht alles ausprobieren. Man kann doch auch beobachten. Zum Beispiel den Nachbarn Frankreich, falls Le Pen übernimmt. Das reicht doch.

Ich erwähnte eingangs das Gespräch über die Modellstädte Rostock und Tübingen, die ich superspannend finde. Erkenntnisgewinn ist sehr wichtig. Aber eines sollte allen klar sein: Geht das durch, was sich die Bundesregierung vorstellt, ist Schicht im Schacht der Modellversuche, weil diese qua bundesstaatlicher Autorität unterbunden werden können. Man mag sich hier den weiteren Verlauf einer derartigen Entwicklung gar nicht vorstellen. Aber eine Perspektive, wie so etwas weiter gehen könnte, bot im vergangenen Jahr Portland hier und hier. Nicht jetzt, nicht nächstes Jahr, aber perspektivisch. Den Menschen ist wohl nicht bewusst, wie schnell solche Systeme dann letztendlich kippen können. Wir haben auch in der Gesellschaft Kipppunkte.

Der Kernsatz in diesem Gespräch - und nicht nur in diesem war für mich ein weiteres Mal, auf die Frage, nach dem Sinn mancher Maßnahme: „Man kann sich an die Maske draußen gewöhnen. Ich krieg ja auch was dafür. Ich konnte draußen einen Cappuccino trinken“.

Ich war von Anfang an ein Maskenfreund. Aber ist es wirklich sinnvoll, sich an Unsinniges zu gewöhnen und das mitzumachen? An dem Tag, an dem wir das besprochen hatten, ging der Bericht der Aerosolforscher durch die Zeitungen. Das Ansteckungsrisiko im Freien ist zu vernachlässigen. Ist eine Maskenpflicht im Freien in der gesamten Stadt wirklich sinnvoll, zumal, wenn ein großer Teil getestet wurde?

Ich finde, diesen Gedanken und die Entwicklung nicht ungefährlich, weil damit akzeptiert wird, dass es Grundrechte nur dann gibt, wenn man ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt. Ich würde vieles von der Selbstverständlichkeit und Bereitschaft, wie Maßnahmen akzeptiert werden, noch vor Monaten verstehen, aber nicht mehr jetzt. Nach einem Jahr, mit einer deutlich besseren Risikoeinschätzung. Dabei geht es gar nicht um die Gefahr, sondern um das Denkmuster. Hier werden Strukturen und Denkmuster geschaffen, die wir nicht mehr loswerden. Nächste Ausfahrt: Impfpass.

Nienienie dürfen wir so denken unter den bestehenden Verhältnissen. Wir müssen wohl vieles anders denken auch unser Freiheitsverständnis, das wir vielleicht etwas kollektiver denken sollten.

Aber wir dürfen nicht anfangen, Grundrechte als etwas zu verstehen, für deren Gewährung es eine Gegenleistung braucht. In dem Moment, in dem das akzeptiert wird, sind die Grundrechte abgeschafft.

Wir stehen vor einem möglichen massiven Umbau von Demokratie, Rechtsstaat und Gesellschaft. Es mag davon vielleicht sogar einiges nötig sein, wenn man sich die weit bedrohlicheren Krisen ansieht vor denen wir stehen und wie Graeme Maxton in seinem Buch „Globaler Klimanotstand“ beschrieben hat.

Aber dazu bräuchte es eine große, nicht angstgetriebene gesamtgesellschaftliche Diskussion*. Das wäre nichts weniger als eine andere Verfassung. Sowas kann man nicht eine überbordende Exekutive vorantreiben lassen.

Und selbst, wenn es dieses Mal gelingen sollte, sie schwer angeschossen einigermaßen zu verarzten, stehen die wirklich großen Krisen erst noch bevor und wir diskutieren diese grundlegenden Dinge gar nicht, weil wir Inzidenzen rauf und runter (sic!) diskutieren, statt inzidenter deren Belastbarkeit. Was werden wir bereit sein, dann zu opfern, wenn die nächste, viel größere Krise kommt?

Lasst Euch das nicht einfach so wegnehmen. Diskutiert, engagiert Euch, tretet für Eure Demokratie und Euren Rechtsstaat ein. Das ist wichtiger als es sich viele vorstellen mögen.


*Folgende Änderungen habe ich nachträglich vorgenommen:

  1. Nachträglich verlinkt habe ich die sehr aktuelle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Werte wie 0,00002% habe ich mir erlaubt auf 0,0% abzurunden bzw. nur eine Stelle hinter dem Komma anzugeben. Denn eigentlich ist seit vielen Monaten bekannt, dass jüngere Menschen und insbesondere Kinder ein sehr geringes statistisches Risiko (unter 0,01%) haben. Das hielt ich mittlerweile für Allgemeinwissen. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass derartige Erkenntnisse fast schon mutwillig ausgeblendet werden und dieser Punkt unter Hinweis, die Statistiken würden etwas anderes sagen, bestritten würde, weshalb in der Ursprungsversion nichts verlinkt war. Diese Kritik war ein gewaltiges "q.e.d." an meinen Text und die ganz offensichtlich sehr verzerrte Wahrnehmung bzw. Fehlinterpretation von Statistik. (24.4.2021)
  2. Das verlinkte Video über Angsterzeugung als Herrschaftstechnik in neoliberalen Demokratien wurde mir empfohlen. Die Quelle sieht seriös aus und der Referent war Professor für allgemeine Psychologie an der Universität Kiel mit den wissenschaftlichen Schwerpunkten Wahrnehmungspsychologie, Kognitionswissenschaft und Geschichte der Psychologie. Ich habe es gestern Abend angesehen und es braucht vermutlich einiges an Zeit, dies alles aufzuarbeiten und nachzurecherchieren, aber es ist eine sehr gute Erklärung, was aktuell passiert. Geplant oder ungeplant, die Wirkung auf die Gesellschaft lässt sich aus meiner Sicht derzeit beobachten und spiegelt auch einiges aus meinem Artikel wider. Vor der nächsten Pandemie studiere ich Soziologie und Psychologie, um das, was ich beobachte, besser einsortieren zu können. Das Video ist aus dem Februar 2019. Es bietet auch Erklärungen über vieles, was die vergangenen Jahre zu beobachten war, zB nach Terroranschlägen. Es wäre ein Ausweg, wie wir miteinander wieder besser klar kommen und die Gräben zuschütten, ohne einander die Schuld zu geben: Die Angst wurde medial und politisch geschürt. Das gehört adressiert. Vertragt Euch untereinander. Wir haben einander viel zu verzeihen, sagte einmal ein nicht sonderlich gemeinwohlorientierter Mann. Verzeiht Euch. Vertragt Euch. Seid mutig und gestaltet Eure Zukunft. (25.4.21)
  3. Hier habe ich noch eine umfangreiche Ergänzung geschrieben: https://publikum.net/sperrstunde-zahlen-bitte/


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