Berlin - Der Druck auf das Bundeskanzleramt und den Bundesnachrichtendienst ist nach jüngsten Meldungen zum mutmaßlichen Aufenthaltsort des früheren Wirecard-Managers Jan Marsalek gewachsen. "Die Frage muss nicht mehr lauten: Wo ist Jan Marsalek? Sondern: Warum ist er immer noch nicht in Deutschland, um sich vor der Justiz zu verantworten", sagte Grünen-Fraktionsvize Lisa Paus, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
"Es sollte jetzt geprüft werden, wie viel man damals bei Merkel im Kanzleramt davon wusste", sagte Paus mit Verweis auf einen möglichen Aufenthalt Marsaleks in Russland, von dem sowohl der Bundesnachrichtendienst als auch das Bundeskanzleramt Kenntnis gehabt haben sollen. Der ehemalige Obmann der SPD im Wirecard-Untersuchungsausschuss und heutige digitalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jens Zimmermann, nannte das Vorgehen des Bundeskanzleramtes "inakzeptabel". Jetzt stehe der Verdacht im Raum, "dass irgendjemand nicht wollte, dass diese Gespräche stattfinden", sagte er den Funke-Zeitungen. "Das öffnet jedem Verschwörungstheoretiker die Türen", so Zimmermann.
"Wenn Moskau fragt, was man mit Marsalek tun soll, dann ist die schlechteste aller Möglichkeiten, einfach gar nicht darauf zu antworten." Dies werfe kein gutes Licht auf die Arbeit des BND. Zimmermann forderte, dass der Vorgang vom Parlamentarischen Kontrollgremium aufgeklärt werden müsse. Der ehemalige Obmann der Linken im Wirecard-Untersuchungsausschuss, Fabio De Masi, forderte die Einsetzung eines neuen Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Gerade jetzt müssten "alle Fraktionen Farbe bekennen, wenn es ihnen wirklich um die Sache ginge", sagte De Masi den Funke-Zeitungen.
Er hält es für möglich, dass die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von den Informationen gewusst haben könnte. "Es gibt Hinweise darauf, dass der BND-Präsident selbst eingebunden war. Wenn dem so wäre, dann wäre es sehr unwahrscheinlich, dass diese Information nur in den untersten Ebenen versickert ist und nicht den Weg zu Angela Merkel selbst gefunden hat." Der frühere Bundestagsabgeordnete warnte vor einem Erpressungspotenzial.
"Russland könnte Erkenntnisse über deutsche Geheimdienste nutzen. Man stelle sich mal vor, was in Deutschland los wäre, würde Putin Marsalek präsentieren." In einem solchen Fall müsste Deutschland einen Auslieferungsantrag stellen, den Russland womöglich an Bedingungen knüpfen würde. "Gerade in der jetzigen Situation kann Russland Deutschland so in eine Zwickmühle manövrieren", sagte De Masi.
Foto: Bundeskanzleramt bei Nacht (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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