Berlin - Der Missbrauch von Kurzarbeit wird derzeit nach Einschätzung der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft unterschätzt. Es gehe hier inzwischen um sehr viel mehr als nur ein paar schwarze Schafe, sagte Gewerkschaftschef Dieter Dewes dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Freitagausgaben).
Er verstehe zwar sehr gut, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Druck Richtung Homeoffice zum Zweck der Pandemiebekämpfung noch erhöht habe. "Für den Missbrauch von Kurzarbeitergeld aber hat das Homeoffice eine gigantische Grauzone geschaffen, die es so noch nie gegeben hat." Nach dem Lockdown sei eine kritische Bilanz fällig. Nach offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit gab es im letzten Jahr 3.800 Verdachtshinweise.
271 Fälle wurden zur Ermittlung an die für Schwarzarbeit zuständigen Stellen des Zolls übergeben. 37 Fälle gingen direkt an die Staatsanwaltschaft. Nach Ansicht von Dewes wird mit diesen Zahlen allenfalls die Spitze eines ansonsten unsichtbaren Eisbergs beschrieben. Das wahre Ausmaß des Betrugs beim Kurzarbeitergeld werde von Politik und Öffentlichkeit in Deutschland verkannt.
Vor allem in kleineren Firmen ohne Betriebsrat gebe es neuerdings allzu häufig die stillschweigende Übereinkunft, dass Beschäftigte de facto weiter Vollzeit arbeiten, obwohl der Arbeitgeber für sie Kurzarbeit angemeldet hat. Ein solches Zusammenspiel von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu Lasten aller Betragszahler sei schon in der Vergangenheit oft schwer nachzuweisen gewesen. Inzwischen aber sei es schwerer denn je, "wenn sowohl die Prüfer als auch die zu Prüfenden im Homeoffice sitzen". Dewes sagte, der Zoll müsse jetzt umso mehr gestärkt werden in seinen Fähigkeiten, mit hoheitlichen Befugnissen verdächtige Firmen zu kontrollieren.
Stattdessen nehme die Politik es hin, dass beim Zoll 1.400 Stellen unbesetzt sind. "Offenbar ist es der Politik lieber, den jetzigen Zustand einfach laufen zu lassen, möglicherweise bis zur Bundestagswahl", sagte der Zollgewerkschafter. "Es sieht so aus, als ob beim Kurzarbeitergeld ein hohes Maß an Betrug einfach einkalkuliert wird." Am Ende aber werde eine Rechnung präsentiert, für die alle Beitrags- und Steuerzahler aufkommen müssen.
Foto: Schreibtisch (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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