Berlin - Delikte im Zusammenhang mit gefälschten Impfpässen nehmen deutschlandweit zu. In Bayern hatte die Polizei bis Anfang September insgesamt hundert solcher Delikte registriert, nun sind es jeden Tag hundert, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" unter Berufung auf eine eigene Umfrage.
Aus Schleswig-Holstein stammen demnach zwei Drittel aller Fälle aus den letzten vier Wochen. Insgesamt haben die Landeskriminalämter laut FAS in diesem Jahr etwa zehntausend solcher Delikte registriert. Die Zahl ist ungenau, weil die Landeskriminalämter in manchen Bundesländern derzeit nur grobe Fallzahlen herausgeben. Der starke Anstieg aber ist gesichert, und er hat mehrere Gründe, schreibt die Zeitung.
Je schärfer die Kontrollen werden, umso mehr Menschen benutzen falsche Impfnachweise und umso mehr werden dabei erwischt. Auch die Rechtslage hat sich geändert: Erst seit Ende November macht sich eindeutig strafbar, wer einen gefälschten Impfnachweis vorzeigt. Zusätzlich zu den steigenden Zahlen gehen einige Landeskriminalämter von einer hohen Dunkelziffer aus. Das liegt auch daran, dass Apotheker sich oft nicht trauen, die Polizei zu rufen, wenn jemand seinen gefälschten Impfnachweis bei ihnen digitalisieren lassen will.
Die Apotheker stecken in einem Dilemma: Sie sind an eine Schweigepflicht gebunden, wie ein Arzt. Entdecken sie eine Fälschung, dürfen sie eigentlich weder beim Arzt nachfragen noch die Polizei rufen, ohne den Kunden vorher um Erlaubnis gebeten zu haben. Aber sie dürfen den Impfnachweis auch nicht digitalisieren. Theoretisch kann der kriminelle Kunde also die Apotheke verlassen und es so lange bei anderen Apotheken versuchen, bis er irgendwann an jemanden gerät, der die Fälschung nicht erkennt.
Oder bis er an einen gerät, der ein persönliches Risiko auf sich nimmt und trotzdem Anzeige erstattet. Das ist möglich, weil die Schweigepflicht unter bestimmten Umständen gebrochen werden darf - wenn nämlich Leib und Leben anderer gefährdet ist. Wann und ob das in einer konkreten Situation der Fall ist, muss der Apotheker allein entscheiden. Irrt er sich, kann er selbst angezeigt werden.
Die meisten Hinweise, die die Polizei erhält, stammen von Apothekern. In Sachsen sind das mehr als neunzig Prozent. Die Dunkelziffer der Straftaten dürfte insgesamt also viel höher sein, denn die an die Polizei weitergeleiteten Fälle sind nur die plumpen und offensichtlichen Fälschungen. Die Spitze des Eisberges, bei denen sich die Apotheker absolut sicher sind.
Das Geschäft mit den falschen Impfausweisen blüht vor allem in den Chaträumen von Telegram. Sie kosten dort zwischen 100 und 250 Euro, die Margen sind gigantisch, berichtet die FAS. Die Zeitung zitiert einen Dealer, dass er aktuelle Chargennummern von Biontech über Bekannte erhält, die in Arztpraxen arbeiten. Ein komplett fertiger Pass kostet ihn 2,50 Euro, das macht 97,50 Euro Gewinn pro Pass. Um das Geld im Ausland zu waschen, muss er noch Gebühren zahlen.
"Das ist leicht verdientes, gutes Geld." Die Polizei kann einen wie ihn kaum schnappen. Rechtshilfeersuchen an Staaten, in denen die Chatbetreiber sitzen, bleiben oft unbeantwortet. Die Zahlungsströme sind anonym. Die Schwarzmarktpreise steigen immer höher und rechtfertigen für viele Täter das Risiko, berichtet die FAS.
Foto: Apotheke (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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